Die Hebammen kritisieren unter anderem Überbelastung und Baumängel. Das AKH weist dies zurück: Die hygienischen Bedingungen im Kreißsaalbereich seien geprüft worden, es seien keine Mängel festgestellt worden.
Wien (gr). Die Hebammen des Wiener AKH schlagen Alarm: In einem Brief an die Anstaltsleitung und den Wiener Krankenanstaltenverbund (KAV) erheben 19 der 23 fix im AKH angestellten Geburtshelferinnen schwere Vorwürfe hinsichtlich ihrer Arbeitsbedingungen und hygienischer Zustände, berichtet der „Kurier“.
Unter anderem kritisieren die Hebammen, dass es im Kreißsaalbereich keine getrennten WCs für gesunde und infektiöse Patientinnen gebe. Darüber hinaus hätten die Geburtshelferinnen zu wenig Zeit, sich zwischen Behandlungen umzuziehen, Überstunden würden nicht ausbezahlt, Nachtruhezeiten nicht eingehalten. Die Folge: Es bestehe Gefahr für „Leib und Leben“ der Patientinnen.
Das AKH weist dies in einer Reaktion ebenso zurück wie die zuständige Gesundheitsstadträtin Sonja Wehsely: Die hygienischen Bedingungen im Kreißsaalbereich seien geprüft worden, es seien keine Mängel festgestellt worden. In dem Spital herrschten „höchste Standards in der Geburtshilfe“.
Die Belastung der Hebammen – im AKH wurden im vergangenen Jahr 4240 Patientinnen von 23 Hebammen behandelt – komme daher, „dass in Österreich eine Knappheit an Hebammen bestehen dürfte, die im Krankenhaus tätig werden wollen“, heißt es in einer AKH-Aussendung. Durch die Schaffung des Postens einer Oberhebamme erwartet das AKH jetzt eine „entscheidende Verbesserung der Situation“.
Grüne: Kontrollamt einschalten
Die grüne Gesundheitssprecherin Sigrid Pilz will die Missstände auch im Gesundheitsausschuss des Gemeinderates diskutieren: „Sollte Stadträtin Wehsely keine ausreichende Rechtfertigung geben und Abhilfe zusagen können, muss das Kontrollamt tätig werden.“
Wenig überrascht von der Situation zeigt sich Brigitte Kutalek-Mitschitczek, als Leiterin der Wiener Landesgeschäftsstelle des Österreichischen Hebammengremiums oberste Standesvertreterin der Geburtshelferinnen des Landes. „Wir sind generell zu wenige Hebammen in der Stadt.“ 401 Hebammen sind derzeit in Wien tätig, 218 davon in den Spitälern des KAV. Der Bedarf an qualifizierten Geburtshelferinnen sei aber wesentlich höher, sagt Kutalek-Mitschitczek: „Es kommt immer wieder vor, dass neue Stellen ausgeschrieben werden, aber sich niemand dafür findet.“
Das liege einerseits daran, dass mit nur 20 Plätzen in dem FH-Lehrgang für Hebammen ein Engpass in der Ausbildung bestehe. Der Lehrgang werde von der Stadt Wien finanziert, und dort reagiere man nur auf den aktuellen Bedarf – die Ausbildung dauert aber drei Jahre. Andererseits, so die Standesvertreterin, seien Arbeitsbedingungen und Bezahlung in Wien – und besonders beim KAV – im Vergleich mit anderen Regionen schlecht, weswegen viele Absolventinnen die Stadt verließen: In der Folge seien jene Hebammen, die hier bleiben, stärker belastet.
■401 Hebammen sind derzeit in der Bundeshauptstadt tätig, 218 von ihnen in Gemeindespitälern. Im AKH haben 19 der 23 Hebammen einen Brief an die Spitalsleitung geschickt, in dem sie über hygienische Missstände in der Geburtenabteilung und chronische Überbelastung klagen.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.08.2010)