Bettina Vasak ist Hebamme im Wiener AKH und liebt diesen Job, trotz aktueller Kritik an Arbeitsbedingungen, Unterbesetzung und schlechter Bezahlung.
Sie sind die fleißigen Helferinnen im Hintergrund, der Anhaltspunkt jeder gebärenden Frau. Sie stehen nicht im Mittelpunkt, sondern sind einfach da, wenn sie gebraucht werden. Jetzt brauchen allerdings die Hebammen etwas, vor allem Verstärkung. 19 der 23 im Wiener AKH angestellten Hebammen, die im Kreißsaal tätig sind, haben in einem Brief an die Spitalsleitung und an den Wiener Krankenanstaltenverbund (KAV) schwere Vorwürfe erhoben („Die Presse“ berichtete). Chronische Überbelastung, Personalmangel, inadäquate Führungssituation, schlechte Bezahlung und hygienische Mängel werden kritisiert. Der Aufschrei hat gewirkt. Ob sich etwas ändern wird, ist allerdings noch offen. Derzeit laufen Gespräche zwischen den Hebammen und deren Vorgesetzten. Ein Anfang.
Von der Ingenieurin zur Hebamme. Eine dieser Hebammen ist Bettina Vasak. Sie ist eine ruhige Person, die stets freundlich bleibt. Selbst die im Brief erwähnten Kritikpunkte erklärt sie ohne Vorwürfe, fast verständnisvoll. „Man muss eine Liebe zur Geburtshilfe mitbringen, sonst macht man das nicht. Es ist ein sehr fordernder und belastender Beruf“, sagt die 35-Jährige. Sie arbeitet erst seit einem halben Jahr im AKH, war zuvor vier Jahre lang in Mistelbach tätig. Dass sie Hebamme werden wollte, hat sie eigentlich schon mit 16 gewusst. „Meine Eltern hatten aber eine Baufirma, da war es klar, dass ich dort arbeite. Ich habe auch eine Ausbildung zur Ingenieurin gemacht. Dann ging ich ein paar Jahre in den Nahen Osten. Erst mit 28 habe ich mit der Hebammenakademie begonnen.“ Damals gab es noch nicht die Möglichkeit einer Ausbildung mit akademischem Abschluss. Seit 2006 bieten das Fachhochschulen an. Vasak freut die Professionalisierung der Ausbildung. Immerhin sei Hebamme kein leichter Job. Vor allem nicht im AKH.
„Das AKH unterscheidet sich von anderen Spitälern, da es ein Kompetenzzentrum für pathologische Schwangerschaften ist. Das ist ein sensibler Bereich, der eine besonders intensive Betreuung erfordert“, sagt Vasak. Und dafür fehle leider oft die Zeit. Fünf Hebammen teilen sich tagsüber den Dienst, in der Nacht sind sie nur zu dritt. „Das ist nicht bewältigbar, wir hatten schon acht Geburten zu dritt“, so die zierliche Frau.
Jeden zweiten Tag gibt es auf der Leitstelle 9c, der Geburtshilfe, Fehlgeburten oder Totgeburten. Das geht an den Hebammen nicht spurlos vorüber. „Das ist schwierig zu verarbeiten. Vor allem, wenn man mehrere Geburten gleichzeitig betreut und von einer normalen Geburt zu einer Totgeburt wechselt“, sagt Vasak, die sich mehr Zeit dazwischen wünschen würde.
Schlechte Bezahlung. Die gibt es allerdings nur, wenn Personal aufgestockt wird. „Das Hauptproblem liegt aber in der Bezahlung. Wenn die wirtschaftsfähig und leistungsorientiert wäre, könnte man die Abwanderung in andere Bundesländer stoppen.“ Vor allem im Vergleich zu niederösterreichischen Kolleginnen verdienen die Wiener Hebammen um bis zu 1000 Euro netto weniger. Da entscheiden sich viele für das Pendeln. Das Einstiegsgehalt für Hebammen liegt in Wien bei „rund 1200 oder 1300 Euro netto, dazu kommen noch Zulagen. Das ist aber für eine verantwortungsvolle Arbeit dieser Art nicht gerecht und nicht leistungsorientiert“.
Des Geldes wegen wurde die gebürtige Niederösterreicherin aber nicht Hebamme. „Das Schönste ist das Feedback der Frauen.“ Und natürlich das Privileg, wie sie es nennt, bei einer Geburt dabei sein zu dürfen. „Für mich ist die Geburt, der Anfang des Lebens, wie ein Wunder. Es ist schön, dabei eine wichtige Rolle zu spielen. Die Frauen schenken uns viel Vertrauen.“
Sie selbst hat keine Kinder. „Es ist anders gelaufen, es hat nicht so geklappt. Ich habe aber einen Beruf, der mich ausfüllt, und studiere nebenbei evangelische Religionspädagogik und Theologie.“ Der Abschluss steht bald bevor, die akademische Ausbildung ist damit aber nicht zu Ende. Anschließend möchte sie Gesundheitswissenschaften studieren. „Mir ist es wichtig, einen Gegenpol zu haben. Und ich kann auch viel vom Studium in den Klinikalltag einbringen.“
Trotz Überbelastung überwiegen aber die schönen Erlebnisse. Vor Kurzem wurde ein gehörloses Paar mit Hilfe von Frau Vasak Eltern. „Das war ein sehr emotionales Erlebnis. Da läuft viel über die Körpersprache.“ Die wichtigsten Zeichensprachenelemente beherrschen sie und ihre Kolleginnen, ansonsten versteht man sich auch ohne Worte.
Grundvoraussetzung Empathie. Überhaupt ist für Bettina Vasak Empathie eine der Grundvoraussetzungen, um Hebamme zu werden. „Man muss spüren, was die Frau gerade braucht, das kann man auch nicht lernen. Man muss zuhören können und ein Ruhepol sein.“ Und man müsse wissen, wann eine physiologische Geburt in eine pathologische übergeht und wann man einen Arzt zuziehen muss – besonders im Kreißsaal des AKH. „Es ist wichtig, dass wir das Gefühl geben, es ist jemand da bei der Geburt.“
Danach lässt sie die junge Familie aber gerne alleine. „Da ziehen wir uns zurück und passen auf, dass wir möglichst nicht stören. Das ist die Zeit, in der sich die junge Familie kennenlernt. Das ist ja der wichtigste Moment, das gibt es nur einmal.“
401 in Wien
401 Hebammen gibt es derzeit in Wien, 218 davon in Gemeindespitälern.
35 im AKH
Insgesamt 35 Hebammen sind im AKH tätig, 23 von ihnen im Kreißsaal. Pro Jahr gibt es 2500 Geburten.
3 Jahre Ausbildung
Seit 2006 bieten Fachhochschulen ein sechssemestriges Studium an.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.08.2010)