Überall in Österreich gehen Menschen auf die Straße, um gegen die Corona-Maßnahmen zu demonstrieren. Das BVT warnt vor Verbindungen zu Rechtsextremen. Wie stehen Sie zu den Demos? Diskutieren Sie mit!
„Das Thema 'Corona'" wird immer mehr in allen privaten Gesprächen vermieden. Es gilt ein stilles Übereinkommen: Frag nicht, sag nichts! Darin zeigt sich eine Teilung in Befürworter und sich immer mehr dagegen auflehnende“, schreibt Michael Gumpoltsberger aus Wörgl in einem Leserbrief an die „Presse". Ihm fehle eine breite gesellschaftliche Debatte. Daher wundere er sich auch gar nicht, dass Bürger „für ihre Rechte, ihren selbstbestimmten Lebens- und Bewegungsraum auf die Straße gehen“.
Verständnis für die Demonstrationen zeigt auch Gudula Walterskirchen. In der Kolumne Quergeschrieben schreibt sie: „Auf der einen Seite radikalisieren sich die Gegner, Rechtsextremisten versuchen, die Demos zu kapern". Auf der anderen Seite würden aber auch die Vertreter der Regierungslinie „immer radikaler, die Beschimpfungen und Abwertung von Kritikern immer wüster."
Am Wochenende gingen wieder rund 10.000 Menschen in Wien auf die Straße, dabei wurde oft auf Masken und Mindestabstand gepfiffen. Die Demonstranten waren bunt gemischt, mit dabei war auch Prominenz von Rechts.
„Presse"-Journalistin Christine Imlinger meint in einem Kommentar zu den Demos in Österreich: „Keine Idee sollte zu absurd sein, als dass man nicht dafür demonstrieren können muss.“ Sie meint aber auch: „Zusehen, wie Rechtsradikale unter dem Corona-Deckmantel einen Mob hinter sich sammeln, geht nicht.“ Imlinger fordert daher ein Großaufgebot an Polizei, das Übertretungen - von nicht-eingehaltenen Abständen und Maskentragen bis hin zur offenen Wiederbetätigung - konsequent ahndet.
Das BVT warnt vor klaren Verbindungen zur Rechtsextremen-Szene. Diese würde „bewusst und gezielt“ antidemokratische Agitation unter dem Mantel der Corona-Leugnung betreiben. Minister Karl Nehammer (ÖVP) sprach von einer „perfiden Ausnutzung des Grundrechts auf Versammlungsfreiheit“. Daher wollte das Innenministerium auch die Richtlinien für Demos verschärfen. Der Plan blieb vorerst zahnlos.
Warum gehen immer mehr Österreich auf die Straße? Der Philosoph Konrad Paul Liessmann meint dazu: „Verwechslung von unangenehmen und ökonomisch prekären Restriktionen mit der Einschränkung politischer Rechte ist ein Denkfehler, der die Krise von Anfang an begleitetet". „Presse"-Chronik-RessortleiterDietmar Neuwirth stimmt dem in seiner Kolumne „Glaubensfrage“ zu. Weiter kritisiert er die FPÖ, die das Land auf dem Weg zur Diktatur ortet. Neuwirth: „Durch derartige, völlig überzogene Formulierungen und Vergleiche wird das Grauen, das der Begriff Totalitarismus umschreibt, so relativiert und auf unappetitliche Weise verharmlost."
Nach Auffassung von Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger trägt die Schuld an der Polarisierung vor allem die Regierung selbst, die die Menschen in „gut“ und „böse“ einteile. Sie kommt in einer Analyse von Julia Wenzel zur Corona-Kluft zu Wort, genauso wie Extremismus-Experte Dieter Gremel. Sein Ratschlag im Umgang mit Angehörigen, die sich in der Coronakrise radikalisieren: „Man muss in Kontakt bleiben, ein offenes Ohr haben. Nicht für Inhalte, sondern für Ängste.“ Ein Kontaktabbruch mache alles nur schlimmer.
(sk)
Diskutieren Sie mit: Wie stehen Sie zu den Demonstrationen rund um die Corona-Maßnahmen? Was bedeutet Versammlungsfreiheit in Zeiten von Covid-19? Und: Wofür würden Sie auf die Straße gehen?