Bitcoin Austria

Österreichs Kapitel des Bitcoin-Märchens

Eric Demuth und Paul Klanschek gründeten 2014 Bitpanda. Heute wird die Firma mit 1,2 Milliarden Euro bewertet.
Eric Demuth und Paul Klanschek gründeten 2014 Bitpanda. Heute wird die Firma mit 1,2 Milliarden Euro bewertet.Clemens Fabry
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In etwas mehr als einem Jahrzehnt wurde aus einer Internet-Spielerei ein milliardenschwerer Teil der globalen Finanzwelt. Auch einige Österreicher waren bei Bitcoin fast von Anfang an dabei und wurden durch den Krypto-Wert reich. Etwas, das viele noch hoffen, die erst durch den jüngsten Preisanstieg darauf aufmerksam wurden.

Es war keine gute Woche für Bitcoin-Investoren. Nach kritischen Aussagen von Tesla-Chef und Bitcoin-Großinvestor Elon Musk auf Twitter setzte ein Kursrutsch ein, der sich durch Gewinnmitnahmen und Panikverkäufe noch beschleunigte. Am Mittwoch lag der Preis für den Krypto-Wert mit etwas mehr als 32.000 Dollar zeitweise um mehr als 30 Prozent unter dem Niveau von Montagfrüh. Keine Zeit für Anleger mit schwachen Nerven also.

Wer schon längerfristig investiert ist – und im Fall von Bitcoin bedeutet das gerade einmal wenige Monate –, der kann sich trotz des jüngsten Crashs immer noch über satte Gewinne freuen. Denn erst im Dezember 2020 wurde die Schwelle von 20.000 Dollar übersprungen. Bis zum April verdreifachte sich der Kurs für eine Zeit lang auf über 60.000 Dollar.

Es ist diese regelrechte Wert-Explosion bei Bitcoin und den sogenannten Alt-Coins – also anderen Kryptowährungen, die ähnlich wie Bitcoin auf der Blockchain-Technologie basieren –, die in den vergangenen Monaten tausende Österreicher dazu brachte, Euro vom Sparbuch abzuheben und in Krypto-Wallets zu stecken. Viele davon hatten zuvor kaum Erfahrungen am Kapitalmarkt.

Bitcoin-Jubiläum

„Aus meiner Sicht ist das Segen und Fluch zugleich“, sagt Johannes Grill. Einerseits würden sich viele Menschen endlich aktiv mit ihrem Geld beschäftigen. Andererseits sei die Erwartung vieler, hier schnell reich zu werden, schlicht illusorisch. Der 42-Jährige ist Präsident von Bitcoin Austria und feiert gerade sein persönliches zehnjähriges Bitcoin-Jubiläum.

Zu Pfingsten 2011 stolperte der damals in der Bankbranche beschäftigte Softwareentwickler im „Handelsblatt“ über einen Artikel. „Digitale Schatten-Währung wertet massiv auf“, so der Titel, den Grill noch heute genau weiß. „Das Thema hat mich sofort gepackt.“ Der Niederösterreicher war damals bei einer Schweizer Bank beschäftigt und arbeitete an einem Projekt für den internationalen Zahlungsverkehr. „Ich habe daher gewusst, wie mühsam es beispielsweise ist, 100 Franken aus der Schweiz nach Brasilien zu bringen.“ Ein Problem, das Bitcoin verspricht, lösen zu können. Denn durch die dezentrale Technologie ist es möglich, Geld in Sekundenschnelle durch das Internet überall hin auf den Globus zu schicken. Und da es sich dabei auch um ein System ohne eine zentrale Institution handelt, ist das nicht nur ohne Angabe von echten Namen, sondern auch zu relativ geringen Kosten möglich.

Auf einer siebenstündigen Fahrt von seinem Wohnort Graz nach Zürich intensiviert Grill sein Wissen durch das Anhören sämtlicher damals verfügbarer Podcasts zu dem Thema. Und bereits im Sommer 2011 trifft er sich mit anderen Bitcoin-Fans bei einem Heurigen in Wien. Kurz danach wird Bitcoin-Austria gegründet. Ein Verein, der als Anlaufstelle für an dem Thema Interessierte und Interessensvertretung dienen soll. „Wir haben beispielsweise über die Neos die erste parlamentarische Anfrage zu dem Thema initiiert“, so Grill. Es ging dabei um die rechtliche Einordnung von Bitcoin. Sowohl das Finanz- als auch das Wirtschaftsministerium wurden angefragt. „Beide haben geantwortet und gesagt, der jeweils andere sei zuständig. Daher hat in Österreich was entstehen können“, so Grill.

Dieser „österreichische Weg“ der heimischen Regulierungsbehörden, sich beim Thema Kryptowährungen eher nicht zuständig zu fühlen, begleitet auch Paul Klanschek und Eric Demuth in ihrer Anfangszeit. Wer sich hierzulande mit Kryptowährungen beschäftigt, kommt an dem 31-jährigen Kärntner und dem 34-jährigen Norddeutschen nicht vorbei. Auch sie hatten Anfang der Zehnerjahre erstmals Kontakt mit Bitcoin und waren schnell davon überzeugt, dass die Technologie großes Potenzial hat. „Ich habe damals viel Online-Poker gespielt. Und da musste man sehr oft Geld zu und von den Pokerseiten hin- und herschieben. Das war meist sehr mühsam, weshalb Bitcoin sofort mein Interesse geweckt hat“, sagt Klanschek.

Über gemeinsame Freunde lernt er Demuth kennen, der wie Klanschek zu dieser Zeit an der WU Wien studiert, sich zusätzlich aber auch bereits als Fintech-Gründer probiert. Beide eint das Interesse an Bitcoin – und die Frustration über die oft zu komplizierten Möglichkeiten, das digitale Geld zu handeln. Daher gründen sie (zusammen mit dem heutigen Cheftechniker Christian Trummer) 2014 Coinimal – eine Krypto-Börse, die seit 2016 unter dem Namen Bitpanda firmiert.

Heute, sieben Jahre später, ist Bitpanda das erste österreichische Start-up, das das Kriterium erfüllt, um als „Einhorn“ zu gelten. Und zwar eine Firmenbewertung von über einer Milliarde US-Dollar. In einer Finanzierungsrunde im März wurde Bitpanda von den Investoren auf 1,2 Milliarden Dollar taxiert. Doch es ist wahrscheinlich weniger diese Bewertung als vielmehr das unglaubliche Wachstumstempo von Bitpanda, das fasziniert.

„Die Zahl unserer Kunden wächst derzeit pro Tag zwischen 5000 und 20.000 Personen“, sagt Klanschek. In Summe hat Bitpanda europaweit 2,7 Millionen Kunden, die über die Börse Kryptowährungen und seit kurzem auch Aktien kaufen und verkaufen.

Um da mithalten zu können, muss das Bitpanda-Team laufend erweitert werden. Während andere Firmen in der Coronakrise Personal abbauen, hat Bitpanda derzeit rund 200 offene Stellen ausgeschrieben. Und das, obwohl das gesamte Unternehmen Ende 2019 erst 160 Mitarbeiter hatte – eine Zahl, die inzwischen auf über 500 gewachsen ist.
„Wir sind bei unseren Kennzahlen heute etwa 25-mal so groß wie im Sommer des vorigen Jahres“, sagt Klanschek. Was das hinsichtlich Umsatz oder Gewinn bedeutet, wollen die beiden Gründer nicht sagen. Nur so viel: Man sei profitabel und in manchen Wochen würden Transaktionen im Ausmaß von über einer Milliarde Euro über die Plattform von Bitpanda laufen. Das Unternehmen verdient daran in Form von Gebühren, die abhängig von Kundenstatus und Transaktionshöhe bis zu 1,49 Prozent betragen können.

Es ist dieses riesige Wachstumspotenzial, das so viele Menschen in den Bann von Bitcoin zieht. Wer früh genug dabei war, konnte seinen Einsatz vertausendfachen oder sogar noch mehr. Auch er habe seine ersten Bitcoin noch um zwölf Euro das Stück gekauft, sagt Bitcoin-Austria-Präsident Grill. „Und es auch geschafft, ein paar über die Zeit zu retten.“ Denn das ist die große Frage für viele Investoren: Wann soll man verkaufen? Er könne sich noch gut an jene Frau erinnern, so Grill weiter, die einst 50.000 Bitcoin für 500 Euro gekauft und 2011 um 50.000 Euro verkauft habe. Ein tolles Geschäft möchte man meinen. Heute hätten diese Bitcoin einen Wert von 1,5 Milliarden Euro.

Oder der Bitcoin-Pizza-Tag, der sich am gestrigen Samstag zum elften Mal jährte. An diesem 22. Mai 2010 wurde zum ersten Mal eine reale Ware gegen Bitcoin getauscht – und zwar zwei Pizzen gegen 10.000 Bitcoin. Damals entsprach das dem Gegenwert von 41 Dollar. Heute hätten diese beiden Pizzen einen Preis von fast 370 Millionen Dollar.

Fomo

Es sind diese Geschichten, die weltweit Menschen dazu bringen, ihr Geld in Bitcoin oder diverse Alt-Coins zu stecken. In der Hoffnung, bei der nächsten großen Hausse dabei zu sein. „Fomo“ – Fear of missing out (Die Angst, etwas zu verpassen) lautet die aus der Soziologie entlehnte Bezeichnung dafür. Ein Verhalten, das von diversen Geschäftemachern auch ausgenutzt wird. Neben echten Kriminellen, die angeblich auf Bitcoin basierende Pyramidenspiele aufziehen bis hin zu Whatsapp- oder Telegram-Gruppen, in denen angebliche Geheimtipps herumgereicht werden, in Wirklichkeit aber klassisches Pump'n'Dump betrieben wird (ein Wertpapier oder eine Kryptowährung wird zuerst gehypt, dann aber fallen gelassen. Die Gewinne streift dabei der Initiator ein, die Verluste treffen die Mitläufer).

Das sorgt bei vielen wiederum für große Skepsis gegenüber Bitcoin und Co. Ein solcher Skeptiker war Matthias Reder einst selbst. Der 42-Jährige hatte bereits eine über zehnjährige Erfahrung in der Bankbranche bei den Sparkassen und Raiffeisen, als er 2013 das erste Mal von Bitcoin hörte. „Zuerst habe ich auch gedacht, das ist Teufelszeug, da geht es nur um Geldwäsche und andere illegale Sachen.“ Doch je mehr er sich damit beschäftigte, desto klarer wurde ihm, dass Bitcoin eine ganze Reihe an zukunftsweisenden Aspekten mit sich bringt.

„Ich habe gesehen, wie schwer sich die Bankbranche mit Innovationen tut. Und daher habe ich mich bewusst dafür entschieden, mich in Richtung Krypto zu bewegen.“ Reder heuert bei der Grazer Krypto-Börse Coinfinity an und ist dort nun für die Compliance und Geldwäschebekämpfung zuständig. Und er bricht dabei eine Lanze für die Vertrauenswürdigkeit seriöser Krypto-Börsen. „Wenn bei uns jemand zehn Bitcoin verkaufen will, dann prüfen wir die Wallet genau und schauen, wo diese Bitcoins herkommen.“ Denn was viele nicht wissen: Bitcoin ist zwar pseudonym – das digitale Geld ist nicht mit echten Namen verknüpft –, aber nicht anonym. Wer weiß, welche Wallet zu wem gehört, kann genau nachvollziehen, wo die darin befindlichen Bitcoin in der Vergangenheit waren. Und wie bei herkömmlichen Banken gebe es automatische Alarmsysteme, die anspringen, sobald gewisse verdächtige Muster erkannt werden.

Keinen falschen Propheten zu folgen liege jedoch wiederum in der Eigenverantwortung jedes einzelnen Investors. „Es ist schade, dass so viele zuerst einmal Geld verlieren müssen, bevor sie sich auskennen“, so Reder. Es brauche einfach mehr Finanzbildung.
Fehlendes Wissen über Geld und Finanzmarkt sieht man auch bei Bitpanda als gravierendes Problem. „Geld ist für jeden interessant. Aber die meisten haben Angst davor, etwas falsch zu machen“, so Demuth. Einst habe man daher dem Bankberater vertraut, das sei aber auch falsch gewesen, weil dieser nur etwas verkaufen wollte. Die Krypto-Börse will daher mit ihrer Online-Bitpanda-Academy helfen, die bestehenden Bildungslücken zu schließen. Das Konzept sei für die „Generation Google“ gedacht. Also Menschen, die gewohnt seien, sich Informationen selbst im Internet zusammenzusuchen.

Diversifizierung

Ein wichtiger Punkt sei auch Diversifizierung, so Demuth weiter. Der Großteil seines Vermögens stecke in der Firma, bei den restlichen Assets setze er jedoch nicht ausschließlich auf Kryptowährungen, sondern genauso auf Aktien oder Fonds. „Ich habe sogar einige Sparpläne laufen.“ Und auch bei den Investment-Entscheidungen sollte man nicht blind jemandem nachlaufen, selbst wenn es sich dabei um Tesla-Chef Elon Musk handelt. „Musk ist unterhaltsam. Aber er ist nicht der Finanz-Guru, der einem sagt, was man machen soll. Er hat einfach Spaß daran.“

Wie viele Österreicher sich bereits mit Krypto-Werten beschäftigt haben, darüber gibt es keine fundierten Daten. Die letzte offizielle Zahl stammt aus dem Jahr 2018 von der Nationalbank. Demnach hatten damals zwei Prozent der Befragten Krypto-Assets und elf Prozent Interesse daran. Ein Wert, der heute definitiv höher liegen dürfte.

Eine Schätzung darüber möchte man sich bei Bitpanda nicht zutrauen. Klar sei aber, dass auch Aktien in vielen Ländern Europas von weniger als zehn Prozent der Bevölkerung gehalten werden. Das sei jedoch gerade in der aktuellen Situation mit niedrigen Zinsen und möglicher Inflation ein Problem, so Klanschek. Bitpanda soll sich daher zu einer Finanzplattform wandeln, auf der die Menschen nicht mehr nur mit Krypto-Werten handeln, sondern ihre gesamte Finanzanlage abwickeln. „Oft geht es gar nicht darum, etwas Neues zu machen. Man muss es nur sexy machen“, so Demuth.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.05.2021)

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