Von der Staats- über die Volksoper, das Akademietheater, das Konzerthaus, das Schauspielhaus und den Stadtsaal erlebte man in Wien ein Zurück auf der Bühne - inklusive Buh-Rufen. Die Kontrollen funktionierten anstandslos.
„Es ist nicht leicht, das Gefühl zu beschreiben . . . Aber wir hier nehmen das Beschreiben von Gefühlen zu ernst, als dass ich es jetzt versuchen würde“: Staatsoperndirektor Bogdan Roščić, vor dem noch geschlossenen Vorhang stehend, konnte seine Rührung nicht verbergen. Der lange Applaus galt gewiss auch der Tatsache, dass die Staatsoper die Monate der erzwungenen Sperre gut genutzt hatte.
Dass der Betrieb nun wieder beginnt, davon überzeugte sich ein Teil der Bundesregierung vor der Aufführung bei einem kleinen Rundgang durch die Oper. Kanzler Kurz soll dabei Kunst und Kultur als „Bereiche, die wesentlich sind für die österreichische Seele“ bezeichnet haben.
Auch die diversen Kontrollen funktionierten anstandslos, wie unsere Rezensenten bezeugen, besonders freundlich zeigten sich die Mitarbeiter in der Volksoper, auf deren Bühne es ebenfalls teuflisch zuging. Im Konzerthaus hieß Direktor Matthias Naske das Publikum nach 196 Schließtagen wieder willkommen. Sehr korrekt kontrolliert wurde etwa im Schauspielhaus, wo unsere Rezensentin mit einer zu frischen Impfung noch einmal testen musste. Es ging aber schnell, und dafür gab es thailändisches Essen vor dem Theater.
In Wiens größter Kabarettbühne, im Stadtsaal, hatten sich zu Lukas Resetarits erstaunlich wenige von den üblichen Kabarettpromis eingefunden. Die waren wohl eher bei der Wiederaufnahme von Andreas Vitáseks Version des „Herrn Karl“ im Rabenhof, wo auch Kulturstaatssekretärin Andrea Mayer nach dem Staatsopern-Empfang den Abend verbrachte. Im Akademietheater schließlich, das im Gegensatz zum Burgtheater aufgesperrt hatte, sah man am Ende des Schlussapplauses dann auch Direktor Martin Kusej, bereits im Mantel, allein über die Bühne gehen und etwas von Freude über die Wiederkehr des Publikums murmeln. Kein Zweifel: Das Theater hat uns wieder.
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In der Staatsoper war auch die erste Premiere – Gounods „Faust“ – schon die zweite Aufführung in dieser Inszenierung: Die erste hatte am 29. April vor TV-Publikum stattgefunden, die „Presse“ hat darüber berichtet. Frank Castorfs Regie mit der verteufelt geschickt gebauten Bühne, mit den omnipräsenten Videos, die etwa den Mephisto schon vorführen, bevor er verführen kann, funktioniert auch vor Saalpublikum. Dass sie stellenweise zu verliebt in ihren Schwall von Zitaten und Assoziationen wirkt, dankten schließlich doch etliche Buhs. Auch das gehört zum Opernalltag.