Brüssel gibt den Briten drei zusätzliche Monate Zeit, um die Lieferungen von Frischfleisch nach Nordirland EU-rechtskonform zu machen.
Brüssel. Der drohende Eklat rund um Einschränkungen im Warenverkehr zwischen Nordirland und dem Rest des Vereinigten Königreichs ist entschärft – zumindest für die Dauer von drei Monaten. Diese Frist will die Europäische Union den Briten gewähren, damit sie eine Lösung für den Umgang mit der Provinz finden, die aufgrund ihrer heiklen Geschichte und eines Zusatzprotokolls im britischen EU-Austrittsvertrag eine Sonderstellung genießt und an den Binnenmarkt der EU gekoppelt bleibt.
Am Mittwoch kündigte der für die Post-Brexit-Beziehung zuständige EU-Kommissar Maroš Šefčovič an, dass die Übergangsfrist für den Handel mit Frischfleisch bis 1. Oktober verlängert wird. Normalerweise darf aus einem Drittstaat nur gefrorenes Fleisch in die EU geliefert werden. Aufgrund des Sonderstatus Nordirlands gilt dieses Frischfleisch-Importverbot auch für Fleisch und Wurstwaren, die aus Großbritannien geliefert werden.
„Marching Season“ abwarten
Großbritanniens Premierminister Boris Johnson hat diesen Bedingungen zwar zugestimmt, betrachtet sie aber nun, da der Brexit vollzogen ist, als Einschränkung der britischen Souveränität. Und auch die probritischen Unionisten Nordirlands lehnen jegliche Barrieren zwischen ihrer Provinz und dem Rest des Vereinigten Königreichs dezidiert ab. Die dreimonatige Auszeit ist insofern pragmatisch, als damit die berüchtigte „Marching Season“ umschifft wird, während der die Unionisten patriotische Märsche veranstalten, um ihre Verbundenheit mit Großbritannien zu demonstrieren. Bei diesen sommerlichen Aufmärschen kam es in der Vergangenheit immer wieder zu Ausschreitungen – und in der momentan aufgeheizten Stimmung würden EU-Sanktionen wie Zündholz wirken. Inwieweit man in Brüssel davon ausgeht, dass London die Zeit dafür nützen wird, die vertraglich vereinbarten Kontrollen tatsächlich einzuführen, sei dahingestellt.