Osteuropa

Belarus: Regierungskritisches Nachrichtenportal gesperrt

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Chefredakteur der Wochenzeitung "Nascha Niwa" nach Angaben seiner Frau festgenommen, Onlinedienst abgeschaltet. Das Regime in Minsk setzt seinen Knebelkurs fort.

Die belarussischen Behörden haben den Online-Zugang zu einem weiteren unabhängigen Medium des Landes gesperrt. Der Wochenzeitung „Nascha Niwa" ("Unser Feld") werde die Veröffentlichung illegaler Inhalte vorgeworfen, teilte das Informationsministerium am Donnerstag mit. Seit den historischen Massenprotesten gegen die Regierung im vergangenen Jahr gehen die Behörden massiv gegen Medien vor, die nicht vom Staat kontrolliert werden.

In der Redaktion des regierungskritischen Portals habe es einen Polizeieinsatz gegeben, teilte die Menschenrechtsorganisation Wjasna unter Berufung auf Zeugen mit. Die Redaktion erklärte im Messengerdienst Telegram, sie könne mehrere Mitarbeiter nicht mehr erreichen, darunter auch Chefredakteur Jegor Martinowitsch. Nach Angaben seiner Frau Adarja Guschtyn auf Facebook wurde er verhaftet; er war schon im Vorjahr zwitweise in Haft gewesen. Ob die Arbeit an der Druckausgabe des Blattes weitergehen kann, ist unklar,

Auch der Chefredakteur der unabhängigen Nachrichten-Website orsha.eu, Igor Kasmertschaka, wurde laut dem belarussischen Journalistenverband verhaftet. Zudem sei der Zugang zum IT-Onlinemagazin dev.by blockiert worden.

Erste eigene Zeitung Weißrusslands

Nasha Niwa wurde 1906 gegründet und ist die vom Gründungsjahr her gesehen älteste Zeitung in Belarus bzw. Weißrussland. Wegen ihres sozialistisch-nationalistischen Kurses (Letzteres mit Hinblick auf die belarussische Identität und Kultur) und der Kritik an der Zarenherrschaft wurde das Blatt schon 1915 von den Behörden zugesperrt und blieb auch in der Sowjetära verboten. 1991 wurde es wiedergegründet, entging in den 2000er-Jahren knapp der Auflösung durch die Behörden und durfte zeitweise nicht an den staatlichen Kiosken verkauft werden.

Der seit fast drei Jahrzehnten regierende Staatschef Alexander Lukaschenko war trotz massiver Betrugsvorwürfe nach der Wahl im August 2020 offiziell zum Sieger erklärt worden. Dies löste historische Massenproteste aus, die von den Sicherheitskräften brutal niedergeschlagen wurden.

Journalisten, die über die Demonstrationen berichtet hatten, geraten zunehmend unter Druck. Mehrere Medienschaffende wurden zu langen Haftstrafen verurteilt. Auch das unabhängige Nachrichtenportal Tut.by war im Mai vom Netz genommen und mehrere seiner Mitarbeiter wegen des Vorwurfs der Steuerhinterziehung verhaftet worden. Ende Mai wurde der im Exil lebende Blogger Roman Protassewitsch nach einer erzwungenen Flugzeuglandung in Minsk festgenommen. Zahlreiche Oppositionelle und Medienmitarbeiter flohen ins Ausland, speziell nach Polen und Litauen.

(APA/AFP/SDA)

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