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Koalition

Die Grünen setzen auf einen „untadeligen“ Kurz-Ersatz - oder eine Regierung ohne ÖVP

Klubchefin Sigrid Maurer und Vizekanzler Werner Kogler am Freitag vor Journalisten.
Klubchefin Sigrid Maurer und Vizekanzler Werner Kogler am Freitag vor Journalisten.APA/GEORG HOCHMUTH
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Werner Kogler und Sigrid Maurer wurden am Freitag erstaunlich deutlich: Sebastian Kurz sei nicht mehr amtsfähig. Auch im Parlamentsklub sieht man es so. Wird die Partei dem Kanzler das Misstrauen aussprechen? Die Grünen setzen auf die ÖVP – und dass es gar nicht so weit kommt.

Den sprichwörtlichen Ball wollten die Grünen am Freitag nicht auffangen. Er sollte abprallen und in eine ganz andere Richtung rollen: zur ÖVP nämlich. Denn während das politische Österreich fragt, was die Grünen jetzt tun wollen, stellt die Partei eine Gegenfrage: Was macht die ÖVP? Die Zukunft der türkis-grünen Bundesregierung entscheide die Kanzlerpartei, betont man bei den Grünen. Und nicht sie.

Damit wollte die Partei am Freitag den öffentlichen Druck weitergeben. Sie wurde dann – im Vergleich zu früheren Äußerungen – überraschend deutlich. Und richtete der ÖVP öffentlich aus: Wenn sie weiter mit den Grünen regieren will, dann geht das nur ohne Sebastian Kurz. Klubchefin Sigrid Maurer formulierte es am Freitag so: „Es stehen ganz schwere Vorwürfe im Raum – wir reden von Korruption, Missbrauch von 1,3 Millionen Euro Steuergeld.“ Und dann: „Die ÖVP hat die Verantwortung, eine untadelige Person zu nominieren, die diese Regierung weiterführen kann.“ Grünen-Chef und Vizekanzler Werner Kogler betonte zur Sicherheit noch einmal: „Die schwierige Situation erzeugen ja nicht wir, sie kommt von der Parteispitze der ÖVP durch ganz gravierende Vorwürfe.“ Die Amtsfähigkeit des Kanzlers sei infrage zu stellen. „Von einer staatstragenden Partei kann man annehmen, dass es mehrere Möglichkeiten der Personalauswahl gibt.“ Man müsse nicht „dort verharren“, wo man „jahrelang entsprechende Aufklärungsschritte“ setzen müsse. Also bei Kurz. Maurer fügte noch hinzu: „Offensichtlich weigert sich die ÖVP bis jetzt, eine untadelige Person bereitzustellen. Und deshalb sprechen wir mit den anderen Parteien.“

„Kurz hat nichts verstanden“

Ganz einig ist man sich bei den Grünen nicht, wie man die Position der Volkspartei deuten soll: Die ÖVP glaube wirklich, dass Kurz weiterhin an der Spitze stehen könnte, sagen die einen. Andere vermuten, dass es nur Taktik sei. Spätestens am Dienstag wird es sich zeigen: Bei einer Nationalratssitzung will die Opposition einen Misstrauensantrag gegen Kurz stellen – falls er noch Kanzler ist.

Am liebsten wäre es den Grünen, dass es gar nicht so weit kommt. „Es gibt ein Regierungsübereinkommen, das man auch mit einer anderen Person an der Spitze abarbeiten kann. Und wenn nicht, dann liegt das nicht in unserer Verantwortung“, heißt es bei den Grünen. „Wir hoffen aber, dass die kritischen Stimmen in der ÖVP mehr Gewicht bekommen.“ Die neuen Chats (siehe Seite 4) würden den Druck wohl noch weiter auf Kurz und die Partei erhöhen, hofft man.

Dass die Mandatare gegen den Antrag und für den Fortbestand von Kurz stimmen, gilt jedenfalls als ausgeschlossen. „Die ÖVP-Krise erschüttert Österreich. Kurz hat nichts verstanden, er ist nicht mehr amtsfähig“, schreibt Nina Tomaselli, Abgeordnete und Vize-Parteichefin, auf Twitter. „Für mich ist die Amtsfähigkeit von Sebastian Kurz nicht mehr gegeben“, sagt auch der Mandatar David Stögmüller zur „Presse“. Ob er und der grüne Klub also dem Misstrauensantrag zustimmen würden? „Das werden wir besprechen.“ Und: „Ich kann nur hoffen, dass die ÖVP agieren und sich neu aufstellen wird.“ Nach und nach sprachen es am Freitag immer mehr Mandatare aus: Kurz sei nicht mehr amtsfähig. „Mit diesen Ermittlungen als Dauerbelastung kann er nicht Bundeskanzler sein“, schrieb auch Michel Reimon auf Facebook.

Und was, wenn die ÖVP tatsächlich an ihm festhält? „Wir halten uns alle Möglichkeiten offen“, heißt es von den Grünen. An Neuwahlen sei wohl kaum eine Partei interessiert. Aber die Gespräche mit den anderen Parlamentsklubs seien gut gelaufen. Eine Zusammenarbeit sei also durchaus möglich, glaubt man. Aber was soll SPÖ, FPÖ, Grüne und Neos inhaltlich zusammenhalten? Zum Beispiel ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss, der die Causa rund um Kurz politisch aufklären soll. Kurz vor Neuwahlen dürfte der U-Ausschuss nicht eingesetzt werden. In der Partei werden aber auch Sachthemen genannt: „Parteienfinanzierung, Transparenz oder Pflege.“ Aber man wisse auch: Es gibt Grenzen. Nicht nur wegen der Coronapandemie. Daher hoffe man zwar nicht auf einen Schwenk von Kurz – aber von der ÖVP.

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("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.10.2021)