Die UN-Klimakonferenz geht in die entscheidende Phase. Sie drohe dennoch zum „Blablabla-Gipfel“ ohen Ergebnisse zu werden, kritisierte etwa Greenpeace.
Kommende Woche geht die UN-Klimakonferenz in Glasgow mit dem Verhandlungsstart auf Ministerebene in die Entscheidungsphase. Die COP26 ist die größte ihrer Art, was die Zahl der Delegierten betrifft - das steht schon fest. Resultate gab es bisher nur in Form einiger Absichtserklärungen. Die Frage, wie die Treibhausgas-Emissionen reduziert werden sollen, um die Erderwärmung unter 1,5 Grad zu halten - das eigentliche Ziel des Gipfels - bleibt vorerst unbeantwortet. Von NGOs gab es zur Halbzeit scharfe Kritik.
Aus österreichischen Verhandlerkreisen heißt es, dass in den wichtigen Bereichen wie Klimafinanzierung, Marktmechanismen für einen internationalen Emissionshandel und Berichtspflichten bisher erst geringe Fortschritte zu verzeichnen seien. Hier müssen wie bei jeder UN-Klimakonferenz auch politische Lösungen gefunden und Allianzen zwischen den Staaten gebildet werden.
Im Laufe der ersten Woche wurden zahlreiche Deklarationen, sogenannte "Pledges" unterzeichnet, wie das Statement der High Ambition Coalition, die Deklaration zum Stopp der globalen Entwaldung bis 2030, die beide auch von Österreich mitgetragen wurden. Dazu kam noch das Statement zum Kohleausstieg bis 2030 und der "Global Methane Pledge", der eine Reduktion des Treibhausgases Methan von 30 Prozent bis 2030 gegenüber 2020 anvisiert.
Gewessler am Dienstag in Glasgow
Das "High Ambition Statement" sei "ein wichtiger Schritt für mehr Tempo im Klimaschutz. Es lässt aber nach wie vor die Investitionen in Kohlekraftwerke sowie insbesondere die Möglichkeit zur Nutzung von Atomkraft offen", hielt Umweltministerin Leonore Gewessler (Grüne) fest. Auf diese Bedenken habe man hingewiesen, aber laut der Ministerin ist "das große Ziel der Begrenzung der Erderwärmung auf 1,5 Grad jedoch ein starkes Zeichen für einen globalen Schulterschluss". Gewessler wird heute, Sonntag, per Bahn zum Klimagipfel reisen und dort am Dienstag erstmals teilnehmen.
Welche Antworten im Laufe der kommenden Woche noch zu suchen wären, zeigt der "NDC-Synthesebericht" der UN, der Ende Oktober veröffentlicht wurde. Die Klimaschutzpläne der 192 Vertragsparteien des Pariser Klimavertrags würden dafür sorgen, dass die globalen Treibhausgasemissionen bis ins Jahr 2030 noch einmal um 16 Prozent gegenüber 2010 steigen. Die bisherigen Nachbesserungen mehrere Staaten machen gerade einmal 2,3 Prozent wett. Das Problem: Laut Schätzung der IPCC, des Weltklimarats, braucht es für das 1,5 Grad-Ziel eine Reduzierung der CO2-Emissionen um 45 Prozent bis 2030, zwei Grad wäre noch mit einem Minus von 25 Prozent zu erreichen.
Greenpeace: „Blablabla-Gipfel"
Eine ernüchternde Bilanz hat auch Greenpeace Österreich am Sonntag gezogen und vor allem die österreichische Regierung kritisiert. Die Konferenz drohe, "zu einem reinen Blablabla-Gipfel zu werden", die Umweltorganisation sprach von "schwammigen Formulierungen" und "viel zu späten Ausstiegsterminen". Österreich sei kein Vorbild: Bundeskanzler Alexander Schallenberg (ÖVP) sei mit leeren Händen zur Konferenz gereist.
Greenpeace forderte von Umweltministerin Leonore Gewessler, nun "Nägel mit Köpfen" zu machen und "klare Klimaschutz-Ansagen" zu treffen. Ein erster wichtiger Schritt sei Österreichs Beitritt zum Statement der ehrgeizigen Klimaschutz-Länder gewesen. Jetzt müssten Taten folgen. Daher forderte Greenpeace, "das nationale Klimaschutzgesetz auf Schiene zu bringen und Mega-Straßenbauprojekte wie die Lobau-Autobahn zu stoppen".
Dazu muss laut Greenpeace dem globalen Handel mit CO2-Zertifikaten eine Absage erteilt werden. "Dieser ist eine Sackgasse und würde viele Klimaschutzbemühungen zunichtemachen", so die Umweltschützer. Außerdem gelte es, die Mittel zur Unterstützung der Entwicklungsländer deutlich zu erhöhen und ein klares Bekenntnis zum Ende der fossilen Energien zu verankern. Daran werde auch der Erfolg der diesjährigen Klimakonferenz gemessen werden.
Mehr Hilfen für arme Länder gefordert
Unterdessen forderten internationale Umweltverbände und Entwicklungsorganisationen, dass reiche Staaten ihre Klimahilfen für arme Länder drastisch aufstocken. Greenpeace-Chefin Jennifer Morgan bezifferte den Finanzbedarf der weniger entwickelten Länder auf mehrere Billionen. Nur so könne sich der globale Süden an die fatalen Folgen der Erderhitzung wie immer mehr Dürren und Überschwemmungen anpassen und auch klimaschädliche Treibhausgase reduzieren.
Die Klimaexpertin der Organisation Oxfam, Nafkote Dabi, machte die Industrieländer als Urheber der Klimakrise verantwortlich. Arme Länder litten am meisten darunter. Diese Ungerechtigkeit müsse ausgeglichen werden. Sie prangerte zudem einen ökologischen Vandalismus vor allem von "Superreichen" an, deren Pro-Kopf-Ausstoß von Treibhausgasen weit über dem der übrigen Menschheit liege. Klimaschädlicher Luxus gehöre hoch besteuert oder verboten.
Greenpeace-Klimaexpertin Lisa Göldner warf der Europäischen Union vor, es beim Gipfel an Führungsstärke fehlen zu lassen. An EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen appellierte sie, den Ausstieg aus Kohle, Öl und Gas voranzutreiben. Zugleich warnte sie die rund 200 in Schottland vertretenen Staaten davor, einen weltweiten Kompensationshandel für Emissionen einzurichten. Dies lieferte den Industriestaaten eine "weitere Ausrede", den Ausstieg aus fossilen Energieträgern zu verzögern.
Johnson fordert mehr Ehrgeiz
Auch der britische Premierminister Boris Johnson als Gastgeber des Treffens forderte mehr Ehrgeiz. In der ersten Woche habe es einige konkrete Ankündigungen gegeben, etwa zum Stopp der Entwaldung oder zur Reduktion des schädlichen Treibhausgases Methan. "Aber wir dürfen die Aufgabe, das 1,5-Grad-Ziel am Leben zu erhalten, nicht unterschätzen."
(APA)