Konflikt

"Heftige Konsequenzen": Biden droht Putin mit persönlichen Sanktionen

Ob er sich vorstellen könne, Putin im Falle einer Invasion persönlich zu sanktionieren? Ja, antwortete der US-Präsident.
Ob er sich vorstellen könne, Putin im Falle einer Invasion persönlich zu sanktionieren? Ja, antwortete der US-Präsident.REUTERS
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Einen Einmarsch in die Ukraine bezeichnet der US-Präsident als „größte Invasion seit dem Zweiten Weltkrieg“. Ein derartiger Schritt würde die Welt verändern.

Ein russischer Einmarsch in die Ukraine könnte angesichts der massiven Truppenpräsenz in der Nähe der Grenze nach Ansicht von US-Präsident Joe Biden die "größte Invasion seit dem Zweiten Weltkrieg" werden. Ein solcher Schritt würde "die Welt verändern", warnte Biden am Dienstag. Nach US-Angaben soll Moskau entlang der ukrainischen Grenze rund 100.000 russische Soldaten in Stellung gebracht haben.

Mit Blick auf Russlands Präsident Wladimir Putin sagte Biden, dieser "baut die Truppenpräsenz entlang der ukrainischen Grenze weiter aus". Biden fügte hinzu: "Falls er mit all diesen Truppen einmarschieren würde, wäre das die größte Invasion seit dem Zweiten Weltkrieg." Es war zunächst nicht klar, ob sich Biden mit seiner Aussage spezifisch auf Europa bezog, denn beim US-geführten Einmarsch im Irak waren 2003 deutlich mehr Soldaten zum Einsatz gekommen. In Afghanistan wiederum wurde die Präsenz der sowjetischen Truppen nach ihrem Einmarsch 1979 mit rund 120.000 angegeben.

Moskau dementiert Einmarsch-Pläne

Moskau hat Pläne zu einem angeblichen Einmarsch in die Ukraine dementiert. Biden warnte Russland erneut für den Fall eines Angriffs vor drastischen Gegenmaßnahmen und machte deutlich, dass er sich auch Sanktionen gegen den russischen Präsidenten Wladimir Putin vorstellen könnte. Gleichzeitig betonte der US-Präsident, es gebe keine Pläne, US-Truppen in die Ukraine zu schicken. "Es werden keine amerikanischen Kräfte in die Ukraine verlegt."

Das US-Militär hatte am Montag rund 8500 Soldaten in erhöhte Bereitschaft versetzt, um bei Bedarf eine schnelle Verlegung nach Europa zu ermöglichen. "Ich könnte einige dieser Truppen kurzfristig verlegen - einfach, weil es eine gewisse Zeit dauert", sagte Biden. Dies sei keine Provokation, sondern eine Vorsichtsmaßnahme, um den Sorgen der osteuropäischen NATO-Mitglieder zu begegnen, sagte er.

Auf Nachfrage fügte Biden hinzu, es sei nach wie vor unklar, ob Putin tatsächlich einen Angriff plane. "Ich werde vollkommen ehrlich mit Ihnen sein: Es ist ein bisschen wie im Kaffeesatz lesen." Biden kann sich im Falle eines Einmarsches Russlands in die Ukraine Sanktionen gegen den russischen Präsidenten Putin vorstellen.

Deutschland und Frankreich warnen Russland vor Angriff

Der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz und der französische Staatschef Emmanuel Macron warnten Russland unterdessen vor schweren Konsequenzen einer weiteren militärischen Aggression gegen die Ukraine. Die Führung in Moskau habe viele Truppen entlang der Grenze zum Nachbarland stationiert und müsse dringend zur Deeskalation beitragen, forderte Scholz am Dienstag in Berlin. Macron sagte, man bereite eine gemeinsame Reaktion für den Fall eines Angriffs vor, "der Preis wäre sehr hoch."

Erstmals seit Beginn der aktuellen Spannungen wollen am Mittwoch offizielle Vertreter beider Konfliktländer zu Gesprächen zusammenkommen. Ein Treffen auf Beraterebene ist in Paris geplant. Auch Frankreich und Deutschland sollen an der Zusammenkunft im sogenannten Normandie-Format teilnehmen. Wie es aus Élyséekreisen hieß, soll es in den Gesprächen um humanitäre Maßnahmen und Zukunftsüberlegungen der Ukraine gehen. Außerdem wolle man ein Datum finden, an dem die Ukraine mit den kremltreuen Separatisten über einen Sonderstatus für die Region Donbass verhandelt. Die Ukraine lehnte dies bisher offiziell ab. Sie sieht Moskau und nicht die Separatisten als Verhandlungspartner.

Deutschland und Frankreich vermitteln in dem seit 2014 andauernden Konflikt. Ihr verhandelter Friedensplan liegt jedoch auf Eis. Nach UN-Schätzungen wurden bei Kämpfen zwischen ukrainischen Regierungstruppen und kremltreuen Separatisten in der ukrainischen Region Donbass mehr als 14.000 Menschen getötet.

Telefonat zwischen Macron und Putin geplant

Macron will am Freitag mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin telefonieren und ihm einen Weg der Deeskalation vorschlagen. Dem französischen Staatschef zufolge geht es in dem Gespräch darum, Bilanz zu ziehen und einige Punkte zu klären. Aus Élyséekreisen hieß es, Macron wolle Konsequenzen eines Angriffs klarmachen, glaube aber auch an die Möglichkeit einer Deeskalation. Macron setzt in dem Konflikt auf zahlreiche Dialogformate. Immer wieder betont er, dass es das Gespräch mit Russland brauche.

SPD-Chef Lars Klingbeil ist der Ansicht, dass sich ein Einmarsch Russlands in die Ukraine noch verhindern lässt. Allerdings stehe es "Spitz auf Knopf", sagte Klingbeil am Dienstag im Talkformat "Spitzengespräch" des "Spiegel".

EU-Ratspräsident Charles Michel stattet Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) am Mittwochabend erstmals seit dessen Amtsübernahme einen Besuch in Wien ab. Im Vordergrund des Gesprächs wird laut Diplomaten die Ukraine-Krise und die Pandemiebekämpfung stehen.

Ukrainischer Präsident warnt vor Panik

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hatte zuvor angesichts der wachsenden Spannungen an der Grenze zu Russland die Bevölkerung zur Ruhe aufgerufen. Man gebe sich nicht kindischen Illusionen über die russische Bedrohung hin, aber es gebe Hoffnung, sagte er am Dienstag in einer Fernsehansprache. "Schützen Sie Ihren Körper vor dem Virus, Ihr Gehirn vor Lügen und Ihr Herz vor Panik."

Man arbeite daran, dass die Verhandlungen mit Russland, Deutschland und Frankreich so schnell wie möglich wieder aufgenommen werden könnten. Die Verhandlungen im sogenannten Normandie-Format sollen die Spannungen zwischen der Ukraine und Russland entschärfen.

Russland hat über Hunderttausend Soldaten an der Grenze zur Ukraine zusammengezogen. Westliche Staaten fürchten einen Angriff, was die Regierung in Moskau zurückweist. Gleichzeitig fordert Russland vom Westen, seinen Einfluss in Osteuropa zu begrenzen. In der Ukraine unterstützt die Regierung in Moskau seit Jahren pro-russische Separatisten im Osten des Landes. 2014 annektierte Russland die ukrainische Halbinsel Krim.

(APA/Reuters)

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