Porträt

Elisabeth Köstinger: Kurz-Getreue oder Spielball der ÖVP?

Elisabeth Köstinger.
Elisabeth Köstinger.IMAGO/SEPA.Media
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Nach 13 Jahren in der Politik hat Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger heute ihren Rücktritt bekannt gegeben. Der Auf- und Ausstieg einer ÖVP-Politikerin, die durchaus polarisierte.

Es sei eine sehr herausfordernde Zeit gewesen, als Sebastian Kurz (ÖVP) sich zuerst aus der Regierung und dann vollständig aus der Politik zurückgezogen hat, sagte Landwirtschaftsministerin Elisabeth „Elli" Köstinger im Interview mit der „Presse“. „Natürlich“ habe sie damals auch überlegt, „einen anderen Weg einzuschlagen“. Ihr Verantwortungsbewusstsein hätte sie aber dazu angehalten, zu bleiben. Auf die Bitte von Bundeskanzler Karl Nehammer hin, habe sie sich dagegen entschieden, Kurz nachzufolgen. Man habe sich darauf geeinigt, dass Köstinger der ÖVP vorerst als Ministerin erhalten bleibt.

Nun scheint beides vergessen. Am 9. Mai gab die Ministerin für Tourismus, Telekommunikation und Zivildienst nach 13 Jahren in der Politik ihren Rücktritt bekannt. Freiwillig, wie sie sagt. Die Entscheidung kommt überraschend und nur wenige Tage vor dem ÖVP-Parteitag in wenigen Tagen. Gerüchte über bevorstehende Rochaden kursieren schon länger. Dabei stand Köstingers Name nie ganz oben auf dieser Liste. Anders war das noch im Dezember 2021, nach dem Rücktritt von Sebastian Kurz. Die 43-Jährige galt als dessen enge Vertraute und machte aus ihrer Anerkennung für den damaligen Bundeskanzler keinen Hehl.

Von der Bauernbündlerin in den Nationalrat

Ihr enge Verbindung zur Ära Kurz haftet Köstinger nach wie vor unwiederbringlich an, nicht zuletzt, weil sie selbst diese auch immer wieder betont. Das passt nicht zu einer Volkspartei, die sich durch die Rückkehr zu alten Werten und Parteifarben von ihrer jüngsten Vergangenheit abgrenzen möchte. Unter Sebastian Kurz legte die Kärntner Bauernbündlerin aus dem Granitztal eine steile Polit-Karriere hin. Bereits während ihrer Zeit als Leiterin der österreichischen Jungbauernschaft war Köstinger als EU-Parlamentarierin aufgefallen – ein Posten, den sie von 2009 bis 2017 innehatte. Unter der Schirmherrschaft des Altkanzlers wurde die Mutter eines Sohnes schnell zur Vizechefin der Volkspartei und schließlich zur Generalsekretärin. Damit war es aber nicht genug. Kurz machte sie zu einem Zugpferd für die Wahlkampagne zum Nationalrat.

Köstingers Zeit als Nationalratspräsidentin (9. November bis 17. Dezember 2017) war jedoch von wenig Erfolg gekrönt. Nach nicht einmal einem ganzen Monat im Amt gab sie den Posten für eine Stelle als Bundesministerin für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft auf. Im Parlament zeigte man sich über diesen Opportunismus wenig erfreut. Für Köstinger war es jedoch der Beginn einer vierjährigen, stürmischen Karriere als On-Off-Ministerin, in der sie sich durchwegs ihrem Fachgebiet, dem Agrarischen, widmen konnte. Mit etlichen anderen Aufgaben wurde Köstinger während ihrer fünf Ministeriumseinsätze, unterbrochen von Experten-Kabinetten und einer Karenz, aber auch bedacht. Unter anderem hatte sie unter Türkis-Blau auch die Betreuung des Umweltbereichs inne. In diesem war ihr immer wieder von NGOs und Oppositionsparteien Untätigkeit vorgeworfen worden.

Letzter Platz im Vertrauensranking

Die neuen Aufgaben in der Koalition mit den Grünen ließen die Kritik an der Ministerin aber nicht verstummen, sondern sorgten nur für eine Themenverschiebung. So war Köstinger zwar nicht mehr für den Umweltbereich zuständig, wurde dafür aber neben der Agrarpolitik mit den Komplexen Telekommunikation, Tourismus und Zivildienst betraut – ein Bereich, der ihre einiges abverlangte. So mussten etwa aktive Zivildiener während der Coronapandemie ihre Dienstzeit verlängern, während ehemalige wieder einberufen wurden. Auch im Bereich Tourismus hatte Köstinger während der Pandemie keine leichte Aufgabe zu bewerkstelligen. In ihrer Funktion als „Vermittlerin“ zwischen Gastronomen, Hoteliers und Politikern war sie immer wieder ins Kreuzfeuer der Meinungen geraten.

Aber sogar in ihrem angestammten Bereich, der Agrarpolitik, wurden in den letzten Monaten kritische Stimmen rund um die Ministerin laut. Erneut waren es die Umweltthemen, bei denen Köstinger auf Gegenwind stieß. So war ihr etwa von Agrar-Vertretern vorgeworfen worden, im Zuge der GAP-Reform (Gemeinsame Agrarpolitik der EU) gegen die Interessen der österreichischen Landwirtschaft gearbeitet zu haben. Sie habe sich etwa für 25 Prozent ökologische Regelungen in der Landwirtschaft eingesetzt, habe dafür aber keine „echten Umweltambitionen“ gezeigt. Wenn es um Pestizidhöchstgehalte bei Importlebensmitteln gegangen sei, hab die Landwirtschaftsministerin in Verhandlungen stets geschwiegen.

Die fortlaufende Kritik an verschiedenen Stellen hatte sich in den letzten Monaten auch in der öffentlichen Wahrnehmung niedergeschlagen. So landete Köstinger im Vertrauensranking der Regierung auf dem letzten Platz, wie der APA/OGM-Vertrauensindex von März zeigt. Nur noch 27 Prozent der Befragten gaben an, der Ministerin zu vertrauen. 64 Prozent verkündeten, gar kein Vertrauen mehr in sie zu haben. Ob nun letztlich die negative Wahrnehmung, die fortlaufende Kritik oder die Kurz-Nähe ausschlaggebend für Köstingers Abgang waren, lässt sich schwer sagen. Köstinger machte in ihrer Rede jedenfalls kein Geheimnis daraus, dass sie bereits seit dem Ende der Ära Kurz mit Rücktrittsgedanken gespielt hatte.

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