Geldpolitik

"Zu wenig und zu spät": Deutsche Wirtschaft kritisiert EZB-Pläne

(c) imago images/Xinhua (Angela Morant via www.imago-images.de)
  • Drucken

Die EZB solle im Juli und damit noch vor der Sommerpause ihre Negativzinspolitik mit einer Erhöhung um einen halben Prozentpunkt in einem Schritt beenden, fordert etwa Bankenverband-Chef Christian Ossig. Kritik kommt auch von den Familienunternehmern.

Aus der deutschen Wirtschaft kommt Kritik am Tempo der Europäischen Zentralbank (EZB) bei den geplanten Zinserhöhungen. "Zu wenig und zu spät", sagte der Präsident des Bundesverbandes Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen (BGA), Dirk Jandura, am Donnerstag der Nachrichtenagentur Reuters zu der angekündigten Zinswende. "Dieser Zeitplan ist immer noch zu zögerlich", sagte auch der Hauptgeschäftsführer des Bankenverbandes, Christian Ossig.

Die EZB hatte zuvor für Juli die erste Zinsanhebung seit elf Jahren signalisiert, die mit 0,25 Prozentpunkten aber klein ausfallen soll. Im September soll dann nachgelegt werden - womöglich mit einem stärkeren Anstieg. "Anstelle der notwendigen, deutlichen und schnellen Zinserhöhung, läuft die EZB der Zinsentwicklung weiter hinterher", sagte Jandura. "Die zögerliche Entscheidung der EZB schadet dem Euro." Je später und je sachter die ersten Zinsschritte werden, umso heftiger werde die dann nötige Korrektur ausfallen müssen.

"Das fundamental geänderte Preisumfeld rechtfertigt einen negativen Leitzins bis in den Herbst hinein nicht mehr", sagte Ossig mit Blick auf den Einlagezins von aktuell minus 0,5 Prozent, den Banken für bei der EZB geparktes Geld zahlen müssen. Dieser bliebe damit zumindest bis September im negativen Bereich. Die EZB sollte deshalb im Juli und damit noch vor der Sommerpause ihre Negativzinspolitik mit einer Erhöhung um einen halben Prozentpunkt in einem Schritt beenden. "Das wäre ein deutliches und dringend notwendiges Signal an Verbraucher, Unternehmen und Tarifparteien", sagte Ossig.

Familienunternehmer kritisieren "völlige Fehleinschätzung“ der EZB

Kritik kommt auch von den Familienunternehmern. "Durch ihre völlige Fehleinschätzung der Inflation ist die EZB nun selbst eine Getriebene und muss jetzt ein deutliches Zeichen setzen, dass sie die Preisstabilität überhaupt noch ernst nimmt", sagte Hauptgeschäftsführer Albrecht von der Hagen. "Von klug eingeleiteter geldpolitischer Wende kann nicht die Rede sein." Schon lange habe die EZB ihre eigentliche Aufgabe - stabile Preise zu gewährleisten - aus den Augen verloren. Die Geldflut der EZB gelte als einer der wesentlichen Treiber der Kerninflation. "Die Kosten für Bürger und Unternehmen sind bereits unverantwortlich hoch", sagte von der Hagen.

Für den Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK) geht die Entscheidung insgesamt in die richtige Richtung. Die EZB könne zwar mit ihrem Handeln nicht die importierten Inflationstreiber in Form der dramatisch gestiegenen Energie- und Rohstoffpreise komplett einfangen. "Jedoch würde ohne Zinswende der Euro gegenüber dem Dollar noch schwächer werden", sagte DIHK-Außenwirtschaftschef Volker Treier. "Dann würde importiere Energie sogar noch teurer werden als ohnehin schon." Die EZB steht insgesamt vor keiner leichten Aufgabe. "Es ist aus Sicht der Wirtschaft wichtig, mit einer maßvollen Zinserhöhung gegen die Erwartung einer sich hartnäckig festsetzenden Inflation anzugehen und eine Lohn-Preis-Spirale zu verhindern", so der DIHK-Experte. Die Konjunktursignale seien derzeit aber so negativ, dass der Spielraum für Zinserhöhungen begrenzt sei.

(APA)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Geldpolitik

EZB schraubt Inflationsprognose deutlich nach oben

Die Notenbank rechnet in ihrer am Donnerstag vorgelegten Prognose mit einem deutlich schwächeren Wirtschaftswachstum und einem stärkeren Anstieg der Verbraucherpreise als im März angenommen.
European Central Bank (ECB) President Lagarde gives a signature for newly printed euro banknotes in Frankfurt
Geldpolitik

Der Fahrplan zu höheren Zinsen

Auf ihrer heutigen Sitzung wird die EZB die Zinswende in der Eurozone einleiten. Eine erste Erhöhung der Zinsen dürfte es im Juli geben. Ob das die Inflation einbremsen wird, ist offen.
FILE PHOTO: The European Central Bank (ECB) headquarters are pictured in Frankfurt
Leitartikel

Trotz Zinswende wird die EZB eine Getriebene bleiben

Jahrelang taten Politik und Notenbanken so, als wären wir in einer Dauerkrise. Alle haben sich an Nullzinsen gewöhnt. Umso schwerer fällt nun die Abkehr.
Die Zentrale der Europäischen Zentralbank (EZB) steht im frühen Morgenlicht
Geldpolitik

Die verwischten Grenzen des EZB-Mandats

Die EZB hat das Mandat, für Preisstabilität zu sorgen. Aber trotz hoher Inflation steigt sie nur zögerlich aus ihrer expansiven Geldpolitik aus. Woran das liegt.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.