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Mussolini-Verehrer zum Senatspräsidenten in Italien gewählt

Ignazio La Russa ist zum Senatspräsident gewählt worden.
Ignazio La Russa ist zum Senatspräsident gewählt worden.APA/AFP/ANDREAS SOLARO
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Ignazio La Russa übernimmt damit das zweithöchste politische Amt im Staat. Zuvor hatte die Senatorin auf Lebenszeit, die KZ-Überlebende Liliane Segre, die erste Sitzung eröffnet.

Der Spitzenpolitiker der Rechtsaußenpartei Fratelli d ́Italia (FdI - Brüder Italiens) und Mussolini-Verehrer Ignazio La Russa ist am Donnerstag zum Präsidenten des italienischen Senats gewählt worden. Er übernimmt damit das zweithöchste politische Amt im Staat nach dem Präsidenten. Der 75-jährige Berufspolitiker, der Benito als zweiten Namen trägt, ist dafür bekannt, dass er in seiner Wohnung Erinnerungsstücke an den faschistischen Diktator Benito Mussolini sammelt.

Der Mitbegründer der Partei Fratelli d'Italia, die bei den Parlamentswahlen am 25. September die meisten Sitze gewonnen hat, setzte sich im erste Wahlgang mit 116 Stimmen durch.

Den Vorsitz der konstituierenden Sitzung des Senats am Donnerstag hatte die Holocaust-Überlebende Liliane Segre. Die 92-jährige Senatorin auf Lebenszeit, Liliana Segre, leitet als ältestes Parlamentsmitglied die erste Sitzung im Senat, einem der beiden Parlamentskammern. Parallel zum Senat trat auch das Abgeordnetenhaus am Donnerstag erstmals zusammen.

Segre, die als Kind als einziges Mitglied ihrer Familie das KZ Auschwitz überlebte, zeigte sich bei der konstituierenden Sitzung des Senats bewegt, dass sie ausgerechnet im Monat Oktober, in dem sich der faschistische Marsch auf Rom heuer zum 100. Mal jährt, den Vorsitz des Senats übernehme. Am 28. Oktober 1922 hatte der damalige Faschistenführer Benito Mussolini die Macht an sich gerissen.

"Heute bin ich besonders bewegt von der Rolle, die das Schicksal für mich vorgesehen hat", erklärte die 92-Jährige. Kurz vor dem 100. Jahrestag der faschistischen Machtergreifung in Italien sei sie aufgerufen, "vorübergehend den Vorsitz in diesem Tempel der Demokratie, dem Senat der Republik, zu übernehmen", so Segre. Dies habe für sie einen besonders symbolischen Wert. Im Oktober 1938 hatte sie als jüdisches Mädchen wegen des Inkrafttretens der Rassengesetze die Schulbank ihrer Volksschule verlassen müssen. "Heute kann ich dank eines seltsames Schicksals die angesehensten Bank des Senats besetzen", betonte Segre.

Segre ständig unter Polizeischutz

Liliana Segre, 1930 in eine jüdische Familie in Mailand geboren, wurde 1944 in das Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau deportiert. Am 30. April 1945 erlebte sie in einem Außenlager des Konzentrationslagers Ravensbrück ihre Befreiung. Anfang 2018 ernannte Staatspräsident Sergio Mattarella sie zur Senatorin auf Lebenszeit. Segre geriet 2019 international in die Schlagzeilen, als sie nach fortgesetzten antisemitischen Schmähungen Polizeischutz erhielt. Seitdem sind bei ihren Veranstaltungsterminen laut Medienberichten ständig zwei Beamte für die Sicherheit der betagten Politikerin abgestellt.

Die erste Aufgabe des Senats war dann die Wahl seines Präsidenten. Für die Führung der Abgeordnetenkammer, die ebenfalls am Donnerstag erstmals zusammentrat, ist der Fraktionschef der Lega, Riccardo Molinari, im Gespräch.

Regierung stellt Präsident in beiden Parlamentskammern

Die Mitte-Rechts-Parteien wollen die Wahl der Parlamentspräsidenten bereits im ersten Wahlgang am Donnerstag durchbringen. Aufgrund ihrer starken Mehrheit brachen die Mitte-Rechts-Parteien mit der Tradition, wonach die Opposition den Präsidenten einer der beiden Parlamentskammern stellt.

Ein Novum ist das verkleinerte Parlament, das aus der vorgezogenen Parlamentswahl am 25. September hervorgegangen ist. Die im Jahr 2020 verabschiedete Verfassungsreform hat die Zahl der Abgeordneten von 630 auf 400 und die Zahl der gewählten Senatoren von 315 auf 200 reduziert, zu denen noch fünf Senatoren auf Lebenszeit kommen. Mit einem verkleinerten Parlament sollen die beiden Kammern effizienter arbeiten.

Die Eröffnung des Parlaments ebnet Staatschef Sergio Mattarella den Weg für Gespräche mit den Parteiführern über die Bildung der neuen Regierung, die voraussichtlich noch vor Ende Oktober ihr Amt antreten wird. Die Fratelli d Italia-Chefin Giorgia Meloni führt bereits seit ihrem Wahlsieg Gespräche zur Regierungsbildung.

Minister-Spekulationen

Für den Posten des Wirtschaftsministers gilt weiterhin der scheidende Industrieminister und Lega-Spitzenpolitiker Giancarlo Giorgetti als aussichtsreichster Kandidat. Für den Posten des Innenministers ist der Präfekt von Rom, Matteo Piantedosi, im Rennen, während für das Bildungsministerium zwei Spitzenpolitikerinnen der Forza Italia, Annamaria Bernini und Licia Ronzulli, im Gespräch sind. Für das Justizministerium kommt die Ex-Ministerin für die öffentliche Verwaltung, Giulia Bongiorno, infrage.

Meloni hat gute Aussichten, erste Ministerpräsidentin Italiens zu werden, nachdem ihre Partei mit 26 Prozent der Stimmen stärkste Einzelpartei wurde und das Rechtsbündnis über eine bequeme Mehrheit in beiden Parlamentskammern verfügt. Die 45-jährige Meloni steht vor einer gewaltigen Aufgabe, weil die drittgrößte Volkswirtschaft der Eurozone in eine Rezession abzurutschen droht. Hohe Energiepreise und Inflation belasten das Land schwer.

(APA)

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