Putins Repressionsapparat erstickt jede Unmutsäußerung. Die Dauerbeschallung durch zynische Indoktrination nimmt den Menschen die Empathie. Humanität zeigt sich dennoch im Kleinen.
Das Mädchen hat sein Plakat bunt gestaltet. Hat die Ränder mit schwarzem Filzstift betont, jeden Buchstaben anders ausgemalt. Nervös steht es da, etliche Passagiere eilen an ihm vorbei. Es achtet nicht auf die Menschen, es achtet darauf, das Plakat hoch genug zu halten. „Onkel Petja, willkommen zurück“, steht auf dem Papier. Ein großes schwarz-orangefarbenes Z prangt mittendrin, das Zeichen für Russlands „militärische Spezialoperation“ in der Ukraine. Für Russlands Vernichtungskrieg. „Onkel Petja, du bist unser Held!!!“, hat das Mädchen in krakeliger Kinderschrift geschrieben. Seine Augen suchen nun in der Menge nach „Onkel Petja“. Nach dem aus dem Kampf zurückgekehrten Soldaten, genauso belogen und getäuscht wie die Zehnjährige auf dem Flughafen von Irkutsk in Sibirien. Verblendet wie Millionen Menschen in Russland, die sich in einer Lüge eingerichtet haben, bewusst oder unbewusst.
Seit einem Jahr – und letztlich noch länger – glauben die Russen die Geschichte des russischen Präventivschlags, der Bedrohung von außen, des Ringens um die eigene Souveränität, der Weiterführung ihres Heldenepos aus dem Zweiten Weltkrieg. Ihren als heilig präsentierten Kampf gegen den Faschismus. Sie wollen es glauben, mit aller Kraft. Zweifel schieben sie beiseite und sagen sich: „Die Politiker werden es schon besser wissen.“ Sie haben gelernt, sich nicht einmal selbst zu trauen, von klein auf. Haben eingetrichtert bekommen, nicht zu reflektieren, etwas infrage zu stellen. Eltern, Lehrer, der gesamte Staatsapparat haben ihnen beigebracht, sich zu fügen, den Kopf bloß nicht hinauszustrecken. Gefahr!