Der USA-Besuch des chinesischen Präsidenten ist ein heikler Spagat zwischen Kooperation und Rivalität. Der Gast bringt Milliardenaufräge - und lässt bei einer Nachfrage zur Menschenrechtssituation aufhorchen.
Washington D. C. Das Weiße Haus hat den roten Teppich ausgerollt und vom Trommelwirbel bis hin zu den Salutböllern auch sonst alles an Pomp aufgeboten, was das US-Protokoll für einen Staatsbesuch bereithält. Vizepräsident Joe Biden empfing Chinas Präsident, Hu Jintao, am Flughafen, Präsident Barack Obama richtete dem Gast aus Peking in der Nacht zum Donnerstag das so sehr gewünschte Staatsbankett aus – erst das dritte in seiner zweijährigen Amtszeit. Washington weiß, welche Bedeutung Chinas Staatsführung der Etikette beimisst.
Bei der Empfangszeremonie auf dem South Lawn des Weißen Hauses schüttelte Hu Jintao ein wenig ungelenk die Hände der Zaungäste mit den chinesischen Fähnchen, während sich vor dem Blair House, dem Gästehaus der US-Regierung hinter dem Weißen Haus, die Tibet-Demonstranten sammelten. Bereits bei der offiziellen Begrüßung hat Obama seinem chinesischen Amtskollegen die zentrale Botschaft der Menschenrechte in Erinnerung gerufen.
Dass Obama, der Friedens-Nobelpreisträger des Jahres 2009, den Kerkermeister des Friedens-Nobelpreisträgers 2010, Liu Xiabo, hofiert, hat im Vorfeld selbst in Regierungskreisen in Washington für Unbehagen gesorgt. Obama hat sich die Kritik der Menschenrechtsorganisationen zu Herzen genommen, und er pochte auch auf eine gemeinsame Pressekonferenz mit Hu, auf die dieser gut und gerne verzichtet hätte.
Dass das Pressegespräch dann von Übersetzungsschwierigkeiten beeinträchtig war, hatte gewissermaßen Symbolcharakter für zwei so unterschiedliche politische Systeme, die oft genug aneinander vorbeireden. Der US-Präsident brachte die Differenzen offen aufs Tapet und summierte sie unter der höflichen Formel: „Wir handeln im Geist der Kooperation, stehen aber auch in einem freundlichen und gesunden Wettbewerb.“ Für die USA gelte die Prämisse: „Wir müssen weniger ausgeben und mehr exportieren.“ Von China forderte Obama mehr Fairness im Handel und eine Aufwertung des Yuan.
Hus Eingeständnis bei Menschenrechten
Hu Jintao erschöpfte sich zunächst in länglichen diplomatischen Floskeln von „gegenseitigem Respekt“. Bei einer Nachfrage zur Menschenrechtssituation in China ließ er jedoch aufhorchen: „Wir haben noch eine ganze Menge zu tun, um unsere Bilanz in Menschenrechtsfragen zu verbessern.“ China sei allerdings noch ein Entwicklungsland, merkte er quasi als Entschuldigung an.
Der US-Präsident vollführt einen Balanceakt. Die sanften Töne der Obama-Regierung gegenüber Peking aus den Anfangstagen sind einem neuen Stil gewichen, der bei allem Bemühen um Kooperation durchaus auch auf Konfrontation setzt. Es ist ein Signal, dass die westliche Supermacht nicht gewillt ist, nach der Pfeife der aufstrebenden asiatischen Supermacht zu tanzen und Desavouierungen kommentarlos hinzunehmen.
Um seine Gastgeber vor seiner Peking-Visite 2009 nicht zu provozieren, hatte der US-Präsident einen Empfang des Dalai Lama aufgeschoben. Er erntete nichts als Undank. Die Führung in Peking brüskierte die USA ein ums andere Mal: beim Klimagipfel in Kopenhagen, in der Frage der militärischen Kooperation, im Nordkorea-Konflikt. US-Firmen in China, allen voran Google, stoßen auf massiven Widerstand.
Es gibt Streit um Strafzölle und Handelsschranken, eine Kontroverse um die Währungspolitik. Washington urgiert Peking zur Yuan-Aufwertung, muss sich im Gegenzug jedoch Belehrungen über eine stabile Finanzpolitik und Spekulationen über ein Ende des Dollar als Leitwährung gefallen lassen. Die USA gerieten immer stärker in die Defensive, und China spielte seine Macht als größter Kreditgeber der USA immer forscher aus.
Misstrauen der Amerikaner
In Washington sprechen manche China-Experten von einem Tiefpunkt im Verhältnis zu Peking und vom wichtigsten bilateralen Staatsbesuch seit Aufnahme der der diplomatischen Beziehungen vor 32 Jahren. Nach einer Umfrage der „Washington Post“ stufen 61 Prozent der Amerikaner China als Bedrohung und 44 Prozent als feindlich ein.
Im Senat fordern führende Demokraten Sanktionen, sollte China nicht dem Druck nach einer Yuan-Aufwertung nachgeben. In einer konzertierten Aktion schlugen die wichtigsten US-Minister einen schärferen Ton an. Gates beeilte sich, den asiatischen Verbündeten im Streit mit China seiner Unterstützung zu versichern. Finanzminister Timothy Geithner drängte China zu einer Öffnung seiner Märkte. Und Clinton sagte, die beiden Staaten seien an einem kritischen Punkt angelangt. Der Aufstieg neuer Weltmächte sei oft von Phasen der Konfrontation begleitet. Von einer Kooperation würden beide mehr profitieren als von einem Konflikt. Zugleich ermahnte sie China, seine Verantwortung wahrzunehmen. „Leere Sessel bei der Nobelpreis-Gala künden vom ungenützten Potenzial einer Weltmacht.“
Am Mittwoch sorgte der US-chinesische Cellist Yo-Yo-Ma vorerst für Harmonie.
China an Schwelle zur Seemacht
Just während des USA-Besuchs von Chinas Staatschef Hu Jintao tauchen Berichte auf, dass Chinas erster Flugzeugträger in Kürze fertig ist. Es handelt sich um den ehemaligen sowjetischen Träger „Varyag“, der nie ganz fertig gebaut wurde; er wurde 1998 von einer Hongkonger Firma gekauft und nach China gebracht, wo man ihn in einer Werft in Dalian im Gelben Meer zu einem einsatzfähigen Schiff ausbaute. Dieser Tage sah man Tests der Motoren; Er dürfte spätestens im Juli offiziell in Dienst gestellt werden. China baut an einer Flotte, die den USA im Pazifik Paroli bieten kann. Jüngst war auch überraschend Chinas erster „Tarnkappen“-Jet präsentiert worden.
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("Die Presse", Print-Ausgabe, 20. Jänner 2011)