Theaterkritik

Mund-Geburt bei Wiener Festwochen: Die erschöpfte Frau würgt einen Fötus heraus

Der technische Aufwand mit echt wirkenden Scheinwelten im Museumsquartier ist enorm, das Ergebnis für die Bühne kümmerlich.
Der technische Aufwand mit echt wirkenden Scheinwelten im Museumsquartier ist enorm, das Ergebnis für die Bühne kümmerlich.(c) Wiener Festwochen
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„Angela (A Strange Loop)“ von Susanne Kennedy und Markus Selg ist eine entbehrliche Übung in zeitgeistigen Phrasen.

Wer in empfindsame Spätzeiten hineingeboren wurde, hat es wirklich schwer. Sogar zum Pfingstfest, das den Geist angeblich erleuchtet, sind so viele Entscheidungen zu treffen. Soll er/sie zum Kurzurlaub in eine schicke Stadt jetten, um dort ein Avantgardefestival zu besuchen? Soll man/frau Cocooning betreiben und sich Videospiele samt bewusstseinserweiternden Substanzen reinziehen? Oder, noch besser, gefühlsmäßig schlapp auf dem Sofa sitzen bleiben und sich mit Gleichgesinnten, in sozialen Medien surfend, über den argen Zustand der Welt austauschen?

In Wien gab es am Sonntag eine Alternative, die solche Möglichkeiten an Kulturkonsum in den unendlichen Weiten des virtuellen Raums sozusagen als Pauschalreise bot. Auf zu den Wiener Festwochen! Dort konnte man die Premiere von „Angela (A Strange Loop)“, sehen, eine internationale Koproduktion, die Susanne Kennedy (Konzept, Text, Regie) und Markus Selg (Konzept, Bühne) entworfen haben. Nach den hundert Minuten Aufführung mag sich manche(r) wohl denken, dass es daheim im Bett spannender gewesen wäre. Der technische Aufwand mit echt wirkenden Scheinwelten im Museumsquartier ist enorm, das Ergebnis für die Bühne kümmerlich: Fünf Darstellende präsentieren diese aufgeblasen-pathetische Pseudo-Denke im Stil einer Laienspiel-Gruppe. Kennedy und Selg boten Plattitüden bis zum Abwinken. Kurz und schlicht: Das ist der Stoff, der Fans des Post-Dramatischen im Theater heute entzückt.

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