Immofinanz: "Aufsichtsrat wollte keine Konsequenzen"

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Um die Causa Immofinanz ist es erstaunlich still geworden. Exvorstand Norbert Gertner, einer der Beschuldigten, ändert das jetzt: Seine Erinnerungen an die Ereignisse des Jahres 2007 bringen Seltsames zutage.

Die Causa Immofinanz wird schön langsam monströs: Seit mittlerweile zweieinhalb Jahren ermittelt die Justiz, es soll bereits rund 65 Beschuldigte geben. Und ein Ende der Ermittlungen ist keinesfalls in Sicht, verlautet aus der Staatsanwaltschaft Wien. Haben wir ja eh schon geahnt.

Zumal die Causa seit geraumer Zeit im Schatten einer anderen steht: Im Zuge der Immofinanz-Einvernahmen wurden Provisionszahlungen an den Lobbyisten Peter Hochegger bekannt – für den Erwerb der Buwog. Das war die „Geburtsstunde“ der Causa Buwog, die dank dem damals für die Privatisierung zuständigen Finanzminister Karl-Heinz Grasser im Interesse der Öffentlichkeit steht. Vom Start weg war diese Affäre in aller Munde. Der Fall Immofinanz hingegen wird vergleichsweise stiefmütterlich behandelt. Was schon daran zu erkennen ist, dass zwar drei Staatsanwälte dafür abgestellt wurden, diese aber „den gesamten Komplex“ zu bearbeiten haben – also auch die Buwog.

Dementsprechend dürr ist die Nachrichtenlage zum Fall Immofinanz. Bekannt ist natürlich, dass es im Kern um massive Rückkäufe von Aktien der Immofinanz und der Immoeast im Ausmaß von über 900 Millionen Euro im Jahre 2007 durch den damaligen Vorstand Karl Petrikovics geht. Und dass dies den Kurs der Papiere künstlich in die Höhe trieb, womit zahlreiche Anleger im Endeffekt geschädigt wurden. Details dazu blieben aber stets im Dunkeln.

Norbert Gertner bringt jetzt ein wenig Licht in dieses Dunkel. Jahrelang hat der Exvorstand geschwiegen. Doch das ist jetzt vorbei, wie er sagt. Grund ist eine in der Vorwoche vom nunmehrigen Immofinanz-Chef Eduard Zehetner eingebrachte Klage gegen Petrikovics und gegen Gertner. Und Gertner – der seinerzeit der Constantia Privatbank vorstand, mit der Immofinanz und Immoeast verbunden war – will ab sofort nicht mehr in einem Atemzug mit Petrikovics genannt werden, Unschuldsvermutung hin oder her.

Zehetner fordert von den Beklagten Bonuszahlungen zurück, die ihnen in Form von Aktienkaufoptionen gewährt wurden. Gertner sagt dazu: „Ich sehe der Klage gelassen entgegen. Offensichtlich soll damit eine Gegenforderung zu meinen Ansprüchen gegen die Bank konstruiert werden.“

Ansprüche gegen die Bank? Tatsächlich führt Gertner – völlig abseits aller Öffentlichkeit – seit dem vergangenen Jahr eine eigene juristische Fehde gegen seinen früheren Arbeitgeber, die Constantia Privatbank. Er hat die Bank sowie Aufsichtsratsvorsitzenden Prinz Michael von und zu Liechtenstein geklagt, weil die ihm nach Beendigung des Dienstverhältnisses zustehenden Ansprüche in Höhe von über sechs Millionen Euro nicht ausbezahlt wurden.

Die Sache wird die Gerichte wohl noch länger beschäftigen. Denn Liechtenstein stellt sich, so sein Anwalt, auf den Standpunkt, dass Gertner seine Aktienkaufoptionen „verheimlicht“ habe und dies einen Entlassungsgrund darstellen würde – womit keine finanziellen Ansprüche geltend gemacht werden könnten.

Für die Öffentlichkeit (beziehungsweise die seinerzeitigen Anleger) ist aber ohnehin ein ganz anderer Punkt von Interesse: Gertner hat der Klage eine Sachverhaltsdarstellung beigefügt, die eine genaue Chronologie der Ereignisse enthält – wenn auch ausschließlich aus seiner Sicht.

Und diese Chronologie, die der „Presse“ vorliegt, gibt immerhin Aufschluss über den Umgang mit der damaligen Krise innerhalb der Firmengruppe. Man war offenbar ausgesprochen duldsam. Es sollten keine großen Wellen geschlagen werden, vor allem um den geplanten Verkauf der Constantia Privatbank nicht zu torpedieren.

In seiner Sachverhaltsdarstellung gibt Gertner an, dass er im September 2007 von Vorstandskollegen Karl Arco über schier Unglaubliches informiert wurde: Karl Petrikovics, jahrelang Chef der Constantia Privatbank sowie der Immofinanz und der Immoeast, habe klammheimlich und im Alleingang Immofinanz- und Immoeast-Aktien im Wert von über 900 Millionen Euro gekauft. Die finanziellen Mittel dafür seien von der Immoeast gekommen. Gertner und Arco hätten daraufhin den Constantia-Aufsichtsrat informiert. Auch Guido Schmidt-Chiari, Vertrauter von Eigentümerin und Turnauer-Erbin Christine de Castelbajac, sei von den Vorgängen in Kenntnis gesetzt worden. Konsequenzen gab es aber keine, wie Gertner berichtet: „Der Aufsichtsrat der Constantia wollte in Anbetracht der negativen Medienberichterstattung über Meinl European Land keine Publizität der Transaktionen und zog auch aufgrund der Verdienste von Petrikovics keine Konsequenzen.“

Laut Gertner wandte sich die Finanzmarktaufsicht im November desselben Jahres an die Firmengruppe und bat um Aufklärung über die Hintergründe zum Kauf der gigantischen Aktienpakete. Die Antwort: Die Aktien seien „im Auftrag von Kunden“ erworben worden. Gertner in der Sachverhaltsdarstellung: „Zur Bestätigung wurden Schreiben von drei vorgeschobenen Kunden übermittelt, die nur ihren Namen hergegeben, aber die Aktien niemals gekauft haben.“

Erst ein Jahr später will er erfahren haben, dass er als Person angeführt wurde, die die vorgeschobenen Kunden vermittelt hätte. Gertner bestreitet dies – er kenne diese „Kunden“ gar nicht, sie seien von Liechtenstein vermittelt worden.

Das war kurz bevor Gertner die Privatbank verließ – ein Jahr vor seinem tatsächlichen Vertragsende. Eigentlich wollte er, wie er darlegt, schon 2007 gehen, weil er sein Vertrauensverhältnis zu Petrikovics als zerstört empfand. Doch Gertner wurde quasi auf Knien darum gebeten zu bleiben: Es sei geplant, die Privatbank zu verkaufen, hieß es – er solle noch so lange im Unternehmen bleiben.

Der Verkaufsprozess wurde Anfang 2008 gestartet. Zu diesem Zeitpunkt wurde auch danach getrachtet, alle materiellen Verpflichtungen gegenüber Vorstandsmitgliedern loszuwerden. Deloitte, als Spaltungs- und Abschlussprüfer der Bank, berechnete die Ansprüche Arcos und Gertners und kam auf einen Betrag von jeweils 9,4Millionen Euro.

Gertner ließ sich auf einen Betrag von sechs Millionen „runterverhandeln“ – zumal er die Bank vorzeitig zu verlassen beabsichtigte. Das Geld wurde von der Bank an Deloitte als Treuhänder überwiesen. An Gertner gelangte es aber nie – weil die Bank Bedenken über seinen Anspruch anmeldete. Kollege Arco hingegen soll elf Millionen Euro erhalten haben.

Aber nicht nur die Causa Immofinanz, auch der von Gertner angestrengte Prozess wird dauern: Der Richter wurde gerade ausgetauscht.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.04.2011)

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