China: "Ai Weiwei hat sich an rote Linie herangewagt"

China Weiwei sich rote
China Weiwei sich rote(c) REUTERS (� David Gray / Reuters)
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Die chinesische Staatszeitung thematisiert erstmals den Fall des verhafteten und verschwundenen Künstlers. Der deutsche Außenminister lädt den chinesischen Botschafter vor.

Der am Sonntag festgenommene chinesische Künstler Ai Weiwei hat sich nach Einschätzung der Staatszeitung "Global Times" mit seinen Aktionen an der Grenze zur Illegalität bewegt. "Ai Weiwei wird möglicherweise verstehen, dass er sich bei zahlreichen Gelegenheiten äußerst nah an die rote Linie herangewagt hat", schrieb die Zeitung am Mittwoch. Sollte er seine Aktivitäten fortsetzen, sei es "wahrscheinlich, dass er die Linie überschreiten" werde. Viele seiner Projekte seien "aus rechtlicher Sicht doppeldeutig", hieß es weiter.

Die "Global Times" griff die Festnahme Ais als erstes chinesisches Medium auf und gab an, ihre Informationen "von ausländischen Medien" erhalten zu haben. In ihrem Bericht wies die Zeitung den Protest westlicher Staaten gegen die Festnahme zurück. Diese verstünden "die Komplexität" des chinesischen Rechtssystems nicht, hieß es.

Westerwelle lädt den Botschafter vor

Der deutsche Außenminister Guido Westerwelle lädt unterdessen wegen Ais Verhaftung den Botschafter der Volksrepublik in Berlin vor. Westerwelle sagte am Mittwoch, der Diplomat werde noch am gleichen Tag zu einem Gespräch ins Auswärtige Amt gebeten, "damit unsere Botschaft klar und unmissverständlich die chinesische Regierung erreicht".

Ai Weiwei müsse umgehend wieder freikommen und die Möglichkeit haben, seiner künstlerischen Arbeit weiter nachgehen zu können.

Kein Lebenszeichen von Ai

Ai war am Sonntag von der Polizei am Flughafen von Peking festgenommen worden, als er ein Flugzeug nach Hongkong besteigen wollte. Der wahrscheinlich bekannteste Gegenwartskünstler Chinas sieht sich wegen seiner Kritik an der kommunistischen Führung der Volksrepublik regelmäßig Repressalien ausgesetzt. Sein Anwalt Liu Xiaoyuan sagte am Mittwoch, er habe seit Sonntag kein Lebenszeichen von Ai erhalten.

Auch Ais Mutter hat seit der Festnahme nichts über seinen Verbleib erfahren, sagte Gao Ying am Mittwoch der Nachrichtenagentur Reuters. "Wie kann ein Land mit Gesetzen so etwas zulassen?"

Ais Mutter: "Sie hecken etwas gegen ihn aus"

Die 77-jährige Pensionistin fürchtet eine strafrechtliche Verfolgung ihres Sohnes wegen dessen Kritik an der Kommunistischen Partei. Sie sagte, das Verfahren sei eine Ungerechtigkeit, deren Ausgang bereits feststehe. Die Behörden hätten die Festnahme, die ohne Angabe von Gründen auf den Pekinger Flughafen erfolgte, von langer Hand geplant.

"Sie hecken etwas gegen ihn aus", vermutete Gao. Die Regierung habe besonders verärgert reagiert, nachdem der Kritiker der regierenden Partei eine Liste der Kinder anfertigte, die beim verheerenden Erdbeben 2008 in der Provinz Sichuan ums Leben kamen. Kritiker machen einen schlechten baulichen Zustand von Schulen für die hohe Zahl der Opfer verantwortlich.

Der Künstler wollte Ende April in Berlin ein Atelier eröffnen. Ai, der in China nicht ausstellen darf, stand wegen seiner Arbeit bereits unter Hausarrest, offiziell festgenommen wurde er aber bisher nicht.

(Ag.)

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