Forscher in Göttingen haben die Bakterien sequenziert, die Auslöser der Durchfallerkrankungen waren. Ein Gen-Austausch zwischen zwei Baktierenarten soll schuld sein an der Aggressivität des aktuellen Keims.
Es waren EHEC-Bakterien, die so aggressiv wurden, weil sie Gene von EAEC-Bakterien übernahmen. Das hat eine am 2. Juni publizierte DNA-Sequenzierung des Beijing Genomics Institute in Peking ergeben.
Nun widersprechen Forscher der Universität Göttingen, die Bakterien von zwei Patienten aus Hamburg sequenziert haben: Nein, es waren vielmehr EAEC, die so aggressiv wurden, weil sie Gene von EHEC übernahmen. Ihr Namensvorschlag klingt wie ein Kompromiss: Man möge die Auslöser der vor allem in Norddeutschland grassierenden Durchfallerkrankung EAHEC nennen. Das heißt dann „entero-aggregative entero-hämorrhagische Escherichia coli“, „entero“ steht für Darm, „hämorrhagisch“ für Blutung, „aggregativ“ heißen die Bakterien, weil sie sich fest aneinander und auch an die Darmwand anheften können.
Neuerwerbung: Tückisches Gift
Letztere Eigenschaft haben sie, wie der Name sagt, von den EAEC übernommen. Von diesen Bakterien, die zuvor in Zentralafrika gewütet haben, stammen laut Göttinger Analyse 96 Prozent ihrer DNA. Nur die restlichen vier Prozent seien von EHEC übernommen worden – durch horizontalen Gentransfer. Dieser Austausch von DNA zwischen Bakterien unterschiedlicher Arten macht die Krankheitserreger ja so flexibel und den von ihnen befallenen Lebewesen das Leben so schwer. Viele Biologen erklären die Entstehung der Sexualität – die ja mit „vertikalem Gentransfer“, von einer Generation auf die nächste, einhergeht – bei höheren Lebewesen als Antwort auf den horizontalen Gentransfer.
In der von EHEC übernommenen DNA ist vor allem das Gen für das Shiga-Toxin, dieses tückische Gift, das die roten Blutkörperchen angreift und damit für das Blut im Durchfall verantwortlich ist, aber auch für das hämorraghisch-urämische Syndrom (HUS), das in Nierenversagen münden kann. So summieren sich die Schrecken: EAHEC kann durch Aggregation massive Infektionsherde bilden, in denen dann das Shiga-Toxin gebildet wird. Dazu kommt ein Resistenzplasmid (ringförmige DNA, die Resistenzen trägt), die das Bakterium vor einem breiten Spektrum von Antibiotika schützt. So erklären sich die Göttinger Forscher, warum das Bakterium so ungewöhnlich aggressiv ist.
Dennoch ebbt laut Robert-Koch-Institut des deutschen Gesundheitsministeriums die Welle der Neuerkrankungen weiterhin ab. tk/ag.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.06.2011)