Der beschwerliche Weg zur Exzellenz

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Nach Jahren der Diskussion will Österreich nun exzellent werden. Andernfalls werde man im internationalen Wettbewerb zurückfallen. Das erfordert zusätzliche Investitionen. Bloß fehlen die dafür nötigen Mittel.

Als der Wiener Quantenphysiker Anton Zeilinger bei den Alpbacher Technologiegesprächen 2002 die Einrichtung einer „University of Excellence“ nach dem Vorbild amerikanischer Eliteuniversitäten in Österreich anregte, war die Aufregung groß. Elite und Exzellenz – das sind Worte, die man in Österreich nicht gern hört. Und über die man noch weniger gern redet. Zu sehr ist Österreich offenbar im Bewahren des Mittelmaßes verwurzelt – Stichworte: Große Koalition, Sozialpartnerschaft, Ausgleich von Extremen.

Dennoch hat sich der Gedanke durchgesetzt, dass man in der Wissenschaft nach Exzellenz streben müsse – andernfalls werde man im internationalen Wettbewerb zurückfallen. Folgerichtig nimmt der Begriff nun in der Forschungsstrategie der Bundesregierung einen zentralen Platz ein. „Wir müssen das volle Potenzial unserer Wissensgesellschaft nutzen und Exzellenz anstreben“, heißt es dort.

Spötter merken freilich an, dass manchen Regierungsmitgliedern nicht klar sei, was sie da beschlossen haben: Denn das Streben nach Exzellenz erfordert massive zusätzliche Investitionen. So ist etwa in der Strategie festgehalten, dass die Finanzierung der Grundlagenforschung auf das „Niveau führender Forschungsnationen“ gesteigert – sprich: auf rund ein Prozent verdoppelt – werden soll. Das Wifo hat errechnet, dass das eine jährliche Steigerung um mehr als elf Prozent erfordern würde. Das sind jedes Jahr 200 Millionen Euro zusätzlich. Das scheint angesichts der stagnierenden Forschungsbudgets utopisch.

Bedingungen schaffen

Der Wissenschaftsfonds FWF hat ein Konzept erarbeitet, mit dem an Österreichs Unis Exzellenzcluster eingerichtet werden könnten. Kostenpunkt: 35 Millionen Euro pro Jahr. Mangels Finanzierung bleibt das Konzept seit 2007 dort, wo es ist: in den Schubladen.

Exzellenz kann man freilich nicht von oben dekretieren. Man kann aber die Rahmenbedingungen schaffen, damit sie entsteht. Innovationsforscher haben dafür nötige Ingredienzien definiert. Unbestritten ist, dass es exzellente Forscher braucht – und zwar sowohl an der Spitze als auch an der Basis. Um die besten Köpfe herrscht international ein starker Wettbewerb, sie sind mobil und gehen dorthin, wo sie die besten Bedingungen vorfinden. Dazu zählen ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Forschung und Lehre, ein Anreiz- bzw. Belohnungsmodell, der Zugang zu Drittmitteln oder die Einbindung in internationale Exzellenznetzwerke. Für Jungforscher wichtig sind zudem die Möglichkeit, frühzeitig eigenständig forschen zu können (und nicht „Helfer“ eines Professors zu sein), sowie ein Laufbahnmodell.

Spitzenleute kosten freilich auch Geld. Doch viele Berufungen scheitern nicht an einer Diskrepanz zwischen Gehaltsvorstellungen und den Möglichkeiten der Unis, sondern am Zugang zur Forschungsinfrastruktur.

Risikoreiche Projekte

Weitere Ingredienzien: Die Forschungsmittel sollten in möglichst hohem Ausmaß im Wettbewerb vergeben werden, die Förderstellen sollten den Mut haben, auch risikoreiche Projekte zu fördern.

Die weitere Dynamik von Exellenzzentren kann man kaum steuern: Gute Forschungsgruppen werden attraktiv für Spitzenkräfte, sie ziehen also weitere gute Forscher an – sofern es dafür ausreichend Kapazitäten gibt. Es gibt aber keine Garantie für Erfolg: Im internationalen Wettbewerb gilt das Prinzip „The winner takes it all“. Wer auch nur um ein bisschen besser ist, der veröffentlicht eine Entdeckung früher – wodurch die Leistung des „Zweitplatzierten“ de facto entwertet wird.

Vor solchem Risiko scheut Österreich definitiv zurück. Und so verwundert es auch nicht, dass es bei den meisten Universitäten mit einer gezielten Förderung von Exzellenz düster aussieht. Neben den akuten Geldnöten gilt als größtes Manko, dass in den meisten Leistungsvereinbarungen zwischen Ministerium und Unis ein wichtiger Punkt fehlt: der wissenschaftliche Output. Abgesehen davon haben die Rektoren ohnehin alle Hände voll zu tun, den Betrieb angesichts des Ansturms von Studenten irgendwie aufrechtzuerhalten.

Dennoch ist in Österreich einiges in Bewegung gekommen. Es gibt ein Reihe exzellenter Arbeitsgruppen. Zum Teil verdanken sie ihre Existenz speziellen Förderprogrammen des Wissenschaftsfonds FWF und der Forschungsförderungsgesellschaft FFG. Das beginnt etwa bei den Quantenoptikern in Innsbruck und Wien, geht über Life-Science- und Demografie-Institute der Akademie der Wissenschaften (ÖAW) und reicht bis zu Kompetenzzentren im Comet-Programm, bei denen auch Weltkonzerne mit im Boot sind.

Der „Shootingstar“ der heimischen Exzellenzinstitute ist zur Zeit das „Institute of Science and Technology“ (IST) Austria – jene „Elite-Uni“ in Maria Gugging bei Klosterneuburg, die der direkte Ausfluss von Zeilingers Vorstoß ist. Bei einer Zwischenevaluierung durch internationale Experten bekam das Institut kürzlich Bestnoten (siehe Artikel rechts).

Die – langsame – Entwicklung Österreichs hin zu mehr Exzellenz lässt sich auch an internationalen Statistiken ablesen. Heimische Forscher konnten überdurchschnittlich viele „Grants“ vom Europäischen Forschungsrat (ERC) abholen: Von 366 Anträgen aus Österreich bekamen 45 hohe Förderungen zugesprochen. Die Erfolgsquote von zwölf Prozent ist deutlich höher als im EU-Schnitt (neun Prozent).

Nur 20 viel zitierte Forscher

Bei der Zahl von Veröffentlichungen in erstklassigen wissenschaftlichen Zeitschriften weist Österreich mit jährlich plus 3,16 Prozent ein höheres Wachstum auf als der globale Schnitt (2,72 Prozent). Überbewerten dürfe man das aber nicht, warnen Experten. Dies sei eher ein Zeichen für den Aufholprozess, den Österreich in den letzten zehn Jahren durchgemacht hat.

Den Weg an die absolute Spitze haben allerdings noch nicht viele geschafft: 20 österreichische Wissenschaftler zählen laut ISI Thomson zum erlauchten Kreis der viel zitierten Wissenschaftler („highly cited researcher“) – dabei werden aus 21 Wissenschaftsbereichen die jeweils 250 am häufigsten zitierten Forscher erfasst. Österreich Stärke ist dabei die Medizin: Jeder zweite laut dieser Statistik exzellente Österreicher ist an einer Medizin-Uni tätig.

Bezogen auf die Bevölkerungszahl reicht das im internationalen Vergleich aber nur für einen Platz im Mittelfeld. Der Abstand zur Spitze ist riesig: Die Schweiz und die USA haben pro Million Einwohner sechs Mal so viele Spitzenforscher wie Österreich.

Aufbrüche. Die Veranstaltung auf einen Blick

Innovation durch Exzellenz. Unter dem Titel „Innovation durch Exzellenz: Ausweg für die Universitäten?“ laden Industriellenvereinigung (IV) und „Die Presse“ zur Debatte über die Frage, wie den Universitäten der Spagat zwischen Spezialisierung und ihrer derzeitigen Rolle als Anbieter von Massenstudien gelingen kann.

Auf dem Podium: Univ.-Prof. Sabine Seidler, Vizerektorin und designierte Rektorin der TU Wien; Thomas A. Henzinger, Präsident des Institute of Science and Technology Austria (IST Austria); Mag. Edeltraut Stiftinger, Siemens Österreich; Mag. Christoph Neumayer, IV-Generalsekretär. Moderation: Rainer Nowak, Ressortleiter Innenpolitik, „Die Presse“.

Die Veranstaltung findet morgen, Mittwoch, 22. Juni 2011, ab 18.30 Uhr im Großen Festsaal im Haus der Industrie (Schwarzenbergplatz 4, 1030 Wien) statt.

Die Diskussion ist eine Veranstaltung im Rahmen der Serie „Aufbrüche – Diskussionen zur Zukunft Österreichs“, die gemeinsam von der IV und der „Presse“ veranstaltet wird.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.06.2011)

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