USA: Rückschlag für ramponierte Supermacht

Rueckschlag fuer ramponierte Supermacht
Rueckschlag fuer ramponierte SupermachtSymbolfoto (c) AP (Jin Lee)
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Die Ratingagentur Standard & Poor's entzog den USA erstmals in ihrer Geschichte das Triple-A, die höchste Kreditwürdigkeit. Jetzt schielt das wirtschaftlich angeschlagene Land auf die Börsenreaktionen.

Noch ahnte der Präsident nichts von dem Unheil, das sich am Ende einer turbulenten Woche zusammenbraute, in der Washington mit knapper Not und großem Frust in allen Lagern den Staatsbankrott abwendete, die Wall Street verrückt spielte und er selbst seinen 50.Geburtstag feierte – just an jenem Tag, an dem der Dow-Jones-Index um mehr als 500 Punkte abstürzte, der schwerste Einbruch seit der Finanzkrise im Herbst 2008. Der leichte Rückgang der Arbeitslosenrate hatte am Freitag die grassierende Angst vor einer neuen Rezession gedämpft, und Barack Obama gab in einer Ansprache vor Marinesoldaten Durchhalteparolen aus: „Wir werden das durchstehen. Es wird besser werden.“

Der Knalleffekt sollte indes noch kommen. Am frühen Nachmittag, an dem sich Obama für den Helikopterflug zum Wochenendsitz Camp David bereitmachte, informierte die Ratingagentur Standard & Poor's (S & P) das Finanzministerium, die Kreditwürdigkeit der USA zum ersten Mal in ihrer Geschichte von Triple A auf AA+ zurückzustufen. Damit hatte sie seit Monaten gedroht, sie hatte den Ausblick für die Staatsfinanzen negativ bewertet, und nun machte sie die Drohung wahr. In einem vernichtenden Resümee führte S & P als Begründung an: „Die Abstufung widerspiegelt unsere Ansicht, dass die Effektivität, Stabilität und Vorhersehbarkeit des politischen Systems in den USA und seiner Institutionen in einer angespannten wirtschaftlichen Lage geschwächt sind.“

Messlatte unterschritten

Standard & Poor's bringt darin die Skepsis an der nachhaltigen Konsolidierung des US-Haushalts zum Ausdruck und greift paradoxerweise ein Argument auf, das Obama vor der Einigung zur Anhebung des Schuldenlimits vor einer Woche aufs Tapet gebracht hat. Im Fall eines Scheiterns, sagte er, würde das politische System nicht das Attribut Triple-A verdienen. Im Zuge der Spardebatte hatte S & P die Messlatte für einen drastischen Sparkurs mit vier Billionen Dollar angesetzt. Im Gegensatz zu den beiden anderen großen Ratingagenturen Moody's und Fitch war Standard & Poor's mit Einsparungen von 2,4 Billionen Dollar für einen Zeitraum von zehn Jahren nicht zufriedengestellt. Fitch will seine Einschätzung bis Ende des Monats überprüfen.

Das Finanzministerium wies die Analyse zurück und machte prompt auf einen peinlichen Rechenfehler aufmerksam. Standard & Poor's hatte sich bei der Schuldenprognose gleich um zwei Billionen Dollar verkalkuliert. Höhnisch sprach ein Mitarbeiter des Weißen Hauses dann auch von der „Stunde der Amateure“. An der Herabsetzung der Top-Bonität, die die USA nunmehr auf eine Stufe stellt mit Belgien und Neuseeland, änderte sich allerdings nichts mehr. Vier Stunden nach Börsenschluss, um 20 Uhr Ortszeit, veröffentlichte S & P seinen Bericht, der die US-Politik und die Finanzwelt sogleich in Aufruhr versetzte.

Auf CNN erklärte S & P-Chef John Chambers die dramatische Maßnahme. Sein Top-Experte David Beers orakelte, dass es wohl eine Weile dauern werde, bis die USA – ähnlich wie Australien und Kanada – wieder das Triple-A zurückerlangen würden. „Der „Eckpfeiler des globalen Finanzsystems“ sei erschüttert, schrieb das „Wall Street Journal“. Die Finanzwelt schielt jetzt besorgt auf die Öffnung der asiatischen Börsen am Montag und auf deren Reaktionen. Analysten gehen davon aus, dass sich der Schockeffekt in Grenzen halten werde, zumal es sich um einen Alleingang von Standard & Poor's handle. Die Wall Street habe die Abstufung aufgrund der Spekulationen womöglich schon vorweggenommen. „Die US-Staatsanleihen bleiben der Goldstandard“, ist Mark Zandi, der Chefökonom von Moody's, überzeugt. 46 Prozent der US-Staatsanleihen befinden sich in ausländischer Hand.

Über den symbolischen Schlag für die Psyche der ramponierten Supermacht hinaus könnte aber der Dollar als Leitwährung der Weltwirtschaft leiden. Die Kreditzinsen für die USA könnten sich nach einem Negativszenario um 0,5 Prozent erhöhen – um bis zu 100 Milliarden Dollar im Jahr. Es wäre ein fataler Schlag für den Kreislauf der angeschlagenen Wirtschaft. Höhere Kredite und Hypothekenraten würden den Konsum drosseln, die Arbeitslosigkeit in die Höhe treiben.

Wirtschaftsnobelpreisträger Paul Krugman schäumte: „Wollen sich die Leute, die minderwertige Wertpapiere bewertet haben, jetzt zum Richter über die Finanzpolitik aufschwingen?“ Er spielte auf das Versagen der Ratingagenturen in der Finanzkrise vor drei Jahren an. Für die republikanischen Präsidentschaftskandidaten steht der Urheber der Malaise jedenfalls zweifelsfrei fest: Barack Obama. „Das ist ein Indikator für den Niedergang unseres Landes“, sagte Mitt Romney. Michele Bachmann forderte den Rücktritt von Finanzminister Timothy Geithner und ätzte: „Obama zerstört das Fundament der Wirtschaft.“ Kaum beendet, ging das politische Hauen und Stechen in Washington schon wieder los.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 7. August 2011)

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