Matznetter gibt Unis Schuld an ihrer Misere

Matznetter Unis selbst Chaos
Matznetter Unis selbst Chaos(c) APA (Guenter R. Artinger)
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Die Unis müssten den "Schulbetrieb" aufgeben, dann gäbe es genügend Studienplätze, sagt der SP-Wirtschaftssprecher. Die Uni Wien überlegt derweil die Einstellung einzelner Studien.

SPÖ-Wirtschaftssprecher Christoph Matznetter sieht keinen Grund, an der Hochschulpolitik seiner Partei etwas zu ändern. Die Schuld an den chaotischen Zuständen, die viele Universitäten durch die stark steigenden Studentenzahlen im Herbst erwarten, gibt er einerseits Deutschland und andererseits den Hochschulen selbst. „Das ist die deutsche Dummheit, die zwei Jahrgänge zusammenkommen lässt,“ sagt er im Gespräch mit der "Presse". Die Auswirkungen der doppelten Abiturientenjahrgänge und den Entfall der Wehrpflicht in Deutschland könne man nun „nur hinnehmen wie eine Naturkatastrophe“.

Dass die Universitäten mit den steigenden Studentenzahlen Probleme hätten, sei deren eigene Schuld, so der SPÖ-Politiker: "Die Unis müssen weggehen vom mittelmäßigen Schulbetrieb." Wenn die Hochschulen E-Learning und "Distance-Learning" stärker einsetzen würden und mehr Lehrveranstaltungen am Abend angeboten würden, gäbe es keine großen Kapazitätsprobleme. Doch die Unis würden eine "Nichtbereitschaft zu Reformen" an den Tag legen.

Für Matznetter, der weiter am offenen Uni-Zugang festhält, sind auch die hohen Drop-Out-Quoten etwa an der Wirtschaftsuniversität Wien kein Problem: "Die Wahrheit ist, dass viele weggehen um zu arbeiten. Das bedeutet ja nicht, dass die Ausbildung wertlos war," so der SPÖ-Wirtschaftssprecher. Auch von einer Steuerung des Studentenstroms hält er nichts, denn man könne nicht definitiv sagen, welche Fächer in Zukunft wichtig seien. "Die sowjetische Planwirtschaft ist gescheitert. Man kann Studenten nicht dazu abkommandieren, was sie machen sollen."

Rektor Bast dazu: "Die Aussagen des vormaligen Staatssekretärs Matznetter legen Zeugnis ab von einer erschreckenden Ahnungslosigkeit." Gerade die öffentlichen Universitäten haben nach den Worten Basts in den vergangenen siebeneinhalb Jahren seit der "Entlassung" in die Autonomie ein tiefgreifendes Reformprogramm absolviert, wie es in anderen, dringend reformbedürftigen Sektoren unseres Staates nicht einmal ansatzweise der Fall war.

Vorhalte sind "eine Frechheit"

Die Hochschulen reagieren zornig auf die Vowürfe Matznetters: "Im Grunde sind die Vorhalte des nunmehrigen SPÖ-Mandatars eine Frechheit," sagt Gerald Bast, stellvertretenden Präsidenten der Uni-Konferenz, zumal Matznetter selbst im Nationalrat daran mitgewirkt habe, dass die Universitäten dramatisch unterfinanziert seien. Die Vorschläge, mit E-Learning die Probleme in den Griff zu bekommen, erinnern den Rektor an die Metapher des Blinden, der von der Farbe spricht.

Die Methode des E-Learnings habe bereits vielfach Einzug in den universitären Alltag gefunden, ohne eine flächendeckenden Fernuni-Landschaft vor Augen zu haben, wie das offenbar dem SPÖ-Mandatar vorschwebt. "Auch wenn es hier noch Potenzial gibt, ersetzt das aber nicht eine dauerhafte Lösung des Problems, dass die den Universitäten zur Verfügung stehenden Budgets bei weitem nicht mit der Steigerung der Zahl der Studierenden Schritt gehalten haben", betont Bast.

TU schon jetzt im Minus

Die Technische Universität ist schon jetzt im Budget-Minus, 2010 hat sie ein Minus von rund 18,4 Mio. verbucht. Um in den kommenden Jahren wieder in die schwarzen Zahlen zu kommen, brauche es eine "drastische Leistungsreduktion"; schon jetzt habe die TU Wien 15 Professuren einsparen müssen, sagt Noch-Rektor Peter Skalicky. "Mittelfristig habend die Unis nur eine Chance, wenn sie in GesmbH umgewandelt werden", so Skalicky.

Uni Wien könnte einzelne Studien einstellen

Der designierter Rektor der Uni Wien, Heinz Engl, erwägt derweil die Einstellung einzelner Studienrichtungen, falls das Uni-Budget ab 2013 bis 2015 nicht deutlich erhöht wird. Das kündigte er in mehreren Medien an. Welche Studienrichtungen das sein, wurde noch nicht besprochen, sagt er gegenüber dem Ö1-Morgenjournal. "Es kann aber jeder Student sicher sein, dass bereits begonnene Studienrichtungen auf jeden Fall in der üblichen Zeit zu Ende geführt werden können." Es sei nicht sein Ziel, Studien zu einzustellen, sondern eine Notmaßnahme.

Engl verwies darauf, dass ein stagnierendes Budget ab 2013 für die Uni Wien einen realen Rückgang der Mittel um acht bis zehn Prozent bedeuten würde. Gleichzeitig ließen die Voranmeldungen - bisher gibt es rund 20.000 der erstmals für die Inskription notwendigen Vorabregistrierungen - ein Ansteigen der Studentenzahlen von zuletzt knapp 88.000 auf 95.000 erwarten. Die Uni Wien erwäge deshalb bereits durch Anmietung von Kinosälen neue Kapazitäten zu schaffen, so Engl.

Bei einer Zunahme an Studenten bei stagnierendem Budget müsste die Uni Wien laut Engl ab 2013 pro Jahr 30 bis 40 Mio. Euro einsparen. Schon jetzt würden deshalb mit jeder Fakultät Gespräche über Personalkürzungen von fünf Prozent geführt. Gleichzeitig versucht die Uni Wien nun, wenige Wochen vor Ende der Voranmeldungsfrist, Studenten auf Fächer mit freien Kapazitäten umzulenken und rührt die Werbetrommel für die MINT-Studien (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Technik). Da verspricht sie neben "erstklassigen Studienbedingungen und exzellenten Berufschancen" auch "Platz in den Hörsälen und Labors, kleine Arbeitsgruppen sowie direkten Kontakt zu den WissenschafterInnen".

Grüne: "Lage ist katastrophal"

Der Grüne Wissenschaftssprecher, Kurt Grünewald, bezeichnet am Donnerstag die Bildungspolitik der Regierung als "unerträglich". Die Lage sei katastrophal, "kaum ein Tag vergeht ohne neue Warnungen von einem drohenden Kollaps aus den Universitäten." Das fortgesetzte Leugnen der Realitäten und Vertröstungen auf bessere Zeiten würden ihm schon "zum Hals heraus hängen," sagt er. Denn: "Immer mehr Standorte überlegen die Schließung von einzelnen Studienrichtungen, Personal wird eingespart, notwendige Investitionen müssen ausgesetzt werden." Für fragwürdige Tunnelprojekte würden über 60 Milliarden von der Bundesregierung verpulvert, die Zukunfts Österreichs jedoch verspielt.

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