SPÖ-Wende: Das Ende des freien Uni-Zugangs naht

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SPoeWende Ende freien UniZugangs(c) Clemens Fabry
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Die SPÖ freundet sich mit Zugangsbeschränkungen für die Unis an. Studiengebühren könnten folgen. Aber nur, wenn die ÖVP ihren Widerstand gegen die Gesamtschule aufgibt. So sieht es ein möglicher Kuhhandel vor.

Wien. WU-Rektor Christoph Badelt klagt die Republik, die Uni Salzburg wird im Herbst mehr deutsche als österreichische Studienanfänger begrüßen und die Uni Wien steht vor einem neuen Studierendenrekord inklusive organisatorischen GAUs: Die Hochschulen stehen vor einem chaotischen Herbst.

Das scheint nun in der SPÖ für einen Paradigmenwechsel zu sorgen: Die Partei will ihr kategorisches Nein zu Zugangsbeschränkungen aufgeben. Salzburgs Landeshauptfrau Gabi Burgstaller war in einem „Presse“-Interview vorgeprescht, die Partei scheint ihr zum Teil zu folgen. Der freie Uni-Zugang sei „eine Illusion“, meinte Burgstaller. Ähnlich dürfte man es in der Gewerkschaft sehen: Im ÖGB will man sich zwar noch nicht offiziell äußern, aber dessen Chef Erich Foglar selbst soll eine Beschränkung des Hochschulzugangs für sinnvoll halten.

Bundesgeschäftsführerin Laura Rudas gilt ebenfalls als Anhängerin solcher Beschränkungen, wie ihre erste positive Reaktion auf den Burgstaller-Vorstoß gezeigt hat. Später musste sie wegen der bisher geltenden Parteilinie zurückrudern. Sogar in der sozialistischen Studentenorganisation wird die Notwendigkeit der (bestehenden) Zugangsregelungen – etwa im Medizinstudium – stillschweigend hingenommen.

Selbst das Thema Studiengebühren sorgt bei vielen Sozialdemokraten für überraschend nüchterne, pragmatische Reaktionen: Wenn es gerechte, sozial treffsichere Beihilfe gebe, seien Gebühren zu begrüßen, spricht etwa Burgstaller offen aus, was viele in der Partei denken.

Innerhalb der Koalition dürfte es aber keine einzelnen Maßnahmen oder Änderungen geben, sondern nur ein Gesamtpaket, über das hinter den Kulissen verhandelt wird. Es sind vor allem die Landeshauptleute, die das in beiden Parteien öffentlich machen: Neben Gabi Burgstaller war es zuletzt Tirols Landeshauptmann Günther Platter, der von beiden Parteien Zugeständnisse forderte. Die SPÖ müsse sich in der Universitätspolitik bewegen, seine eigene Partei, die ÖVP, sich in der Schulpolitik öffnen: Damit sprach Platter erstmals den möglichen Kuhhandel oder – je nach Sichtweise – Kompromiss an, der in politischen Zirkeln die Runde macht: Die SPÖ gebe ihr Nein zu den Zugangsbeschränkungen auf, dafür verzichte die ÖVP auf den Widerstand gegen die mögliche Umwandlung der Gymnasien in Neue Mittelschulen und lasse den gemeinsamen Unterricht aller Zehn- bis 14-Jährigen zu. Die Koalition sei „gut beraten“, bei den Themen aufeinander zuzugehen, sagt Platter.

Doch in beiden Parteien sind Widerstände zu überwinden, um eine solche Veränderung durchzusetzen. In der SPÖ ist es vor allem Andrea Kuntzl, Wissenschaftssprecherin und Ex-Geschäftsführerin, die den freien Zugang verteidigt. Die interne Kritik an ihr mehrt sich jedoch. Erst Ende vergangenen Jahres legte die Kanzlerpartei in der Frage einen Zickzackkurs hin: Bei der rot-schwarzen Regierungsklausur Ende Oktober in Loipersdorf schienen sich SPÖ und ÖVP einig zu sein, dass eine stärkere Platzbeschränkung in Massenfächern unumgänglich sei. Als die damalige Wissenschaftsministerin Beatrix Karl (ÖVP) den entsprechenden Gesetzesentwurf einbrachte, machte die SPÖ einen Rückzieher. Durch den innerparteilichen Widerstand platzte das geplante Gesetz zur Studienplatzbeschränkung. Einigen konnte man sich nur auf eine neue Studieneingangsphase: die verpflichtende Studienberatung und eine verpflichtende Voranmeldung und die Reduktion der Prüfungswiederholungen – bürokratische, strukturelle Hürden also.

In offizieller Diktion gefangen, suchen andere nach Sündenböcken für die Uni-Misere. Für SPÖ-Wirtschaftssprecher Christoph Matznetter sind Deutschland und die Hochschulen selbst schuld. Den Ansturm deutscher Studenten, der aufgrund der „Dummheit“ der deutschen Regierung bevorstehe, „kann man nur hinnehmen wie eine Naturkatastrophe“, sagt Matznetter im Gespräch mit der „Presse“. Den Unis wirft er generell die „Nichtbereitschaft zur Reform“ vor, sie müssten vom „mittelmäßigen Schulbetrieb“ weggehen und stattdessen auf E-Learning und Distance-Learning setzen, dann hätten sie die Lage im Griff.

Die ÖVP ringt um einen Kurs

Auch in der ÖVP ist es in der Bildungspolitik eher ein Neben- als ein Miteinander: So kritisch Platters Vorstoß für einen Abtausch bei manchen aufgenommen wurde – ganz allein steht er damit nicht. Die Steirer-ÖVP ist seit Jahren dafür, Schüler nicht vor dem 15. Lebensjahr zu trennen, und etwa auch in Vorarlberg gibt es Stimmen für die Gesamtschule.

In der Uni-Politik setzten in der Zwischenzeit die Hochschulen Zeichen: Der designierte Rektor der Uni Wien, Heinz Engl, erwägt die Einstellung einzelner Studienrichtungen, und die TU Graz bittet auf ihrer Homepage um private Spenden, um den Lehr- und Forschungsbetrieb weiter finanzieren zu können.

Auf einen Blick

Die SPÖ-Linie in der Hochschulpolitik ist offiziell: keine Zugangsbeschränkungen, keine Studiengebühren. Es mehren sich jedoch die Stimmen, die im Austausch gegen die Zustimmung der ÖVP für die gemeinsame Schule der Zehn- bis 14-Jährigen diese Linie aufgeben würden. Auch die ÖVP ringt um einen gemeinsamen Kurs in Bildungsfragen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.08.2011)

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