Europa: Zugang zur Universität ist selten frei

Hochschule. Einen komplett freien Hochschulzugang gibt es in Europa praktisch nicht. Die Zugangsbeschränkungen sind in Österreich aber vergleichsweise locker.

Wien. Begrenzte Studienplätze, verbunden mit Aufnahmeverfahren und Studiengebühren, das ist die Realität für den Großteil der europäischen Studenten. Während sich in den letzten Jahren einige europäische Länder dazu entschlossen haben, die Studiengebühren abzuschaffen, bleibt der beschränkte Zugang in den meisten Ländern aber unumstritten. Österreich ist eines der wenigen Länder, die ihren Hochschulzugang weitgehend offenhalten. In anderen Ländern warten auf angehende Studenten Aufnahmeprüfungen, Studieneingangsphasen oder eine Auslese durch den Numerus clausus (NC). Auch wenn diese Hürden oft nicht zentral festgelegt werden, haben die Universitäten meist Mittel in der Hand, sich ihre Studenten selbst aussuchen zu können.

In Deutschland bestehen in den Studiengängen Medizin, Tiermedizin, Zahnmedizin, Pharmazie, Psychologie wegen der hohen Bewerberzahlen und der dafür nicht ausreichenden Anzahl von Studienplätzen bundesweite Zulassungsbeschränkungen. Geregelt wird der Zugang über den sogenannten Numerus clausus. Die Abiturnoten entscheiden also über den Studienplatz. Darüber hinaus können Universitäten selbst in einzelnen Fächern Zugangshürden festlegen. Weshalb der deutsche Hochschulzugang gemeinhin als beschränkt gilt.

Für die bundesweiten NC-Fächer müssen sich die angehenden Studenten bei der Zentralstelle für die Vergabe von Studienplätzen (ZVS) bewerben. Diese vergibt 20 Prozent der Plätze an die Besten (Abiturnoten und Noten der vergangenen Jahre werden miteinbezogen). Weitere 20 Prozent werden nach der Länge der Wartezeit vergeben. Die übrigen 60 Prozent vergeben die einzelnen Hochschulen nach dem Ergebnis eines Aufnahmeverfahrens.

Frankreich hat generell einen sehr lockeren Hochschulzugang. Ausnahmen zum freien Zugang gibt es für das Medizinstudium. An den medizinischen Fakultäten gibt es eine Art Studieneingangsphase: Beim Übergang vom ersten auf das zweite Studienjahr gilt ein Numerus clausus, die Anzahl der zugelassenen Studenten richtet sich nach dem Bedarf.

Eine französische Besonderheit sind die Elitehochschulen „Grandes écoles“. Um an diesen meist staatlichen Hochschulen aufgenommen zu werden, müssen die Studenten einen zweijährigen Vorbereitungskurs besuchen. Dann folgt eine Aufnahmeprüfung. Rund fünf Prozent der Studierenden werden an den „Grandes écoles“ ausgebildet, vor allem der Großteil der begabten Schulabsolventen besucht diese Institutionen. Aus diesem Sektor rekrutiert sich zumeist die Elite aus Politik und Wirtschaft.

Auch in Italien gilt der Numerus clausus in den vier Studienrichtungen Medizin, Zahnheilkunde, Veterinärmedizin und Architektur. Außerdem hat jede Universität das Recht, einen Numerus clausus einzuführen, wenn an einer Fakultät eine Höchstzahl an Studenten überschritten wird.

In Großbritannien muss ein angehender Student noch vor dem Schulabschluss (A-Level) ein Studienfach nennen und eine Liste von fünf Universitäten erstellen, an denen er studieren möchte. Gemeinsam mit einer Prognose seiner Schule über das erwartete Abschlusszeugnis wird der Antrag von einer Zentralverwaltung (UCAS) an die einzelnen Unis weitergegeben. Dann wird diese auf zwei Uni verkürzt, zwischen denen der Student wählen kann.

Die endgültige Entscheidung über eine Studienberechtigung fällt die Uni aber autonom. An den meisten Hochschulen gibt es neben dem Bewerbungsverfahren noch weitere Selektionsmechanismen.

In Spanien müssen sich Studierende einem Eingangstest, der sogenannten „Selectividad“, unterziehen. Der in zwei Abschnitte gegliederte Test überprüft das Allgemeinwissen sowie die Fachkenntnisse. Die Endnote setzt sich zu 60 Prozent aus der Durchschnittsnote der Matura und zu 40 Prozent aus dem Ergebnis des Tests zusammen.

In unserem Nachbarland Ungarn wurde bisher der Studienzugang durch Aufnahmsprüfungen reguliert. Seit 2009 wird diese Regelung allerdings vollständig durch ein Punktesystem aufgrund des Maturaergebnisses ersetzt. Neben der landesweit einheitlichen „normalen“ Matura gibt es zudem seit einigen Jahren auch Maturaprüfungen „mit erhöhtem Niveau“. Deren Absolvierung ist bei bestimmten Studienrichtungen (z. B. Sprachen) Voraussetzung für die Aufnahme.

(c) Die Presse / HR

Auch in Irland gibt es kein automatisches Recht auf einen Universitätsplatz für Schulabsolventen. Plätze für Einsteigerübungen an Universitäten werden etwa aufgrund von Noten im Abschlusszeugnis vergeben. Welche Noten ein Student zur Aufnahme benötigt, ist je nach Studienrichtung unterschiedlich.

Auf einen Blick

Platzbeschränkungen an den Unis sind in Europa gang und gäbe. In Deutschland regelt der Numerus clausus den Zugang. Mit wenigen Ausnahmen wird dieser aber nicht bundesweit festgelegt. In Ungarn muss etwa für die Absolvierung eines Sprachenstudiums eine Matura „mit erhöhtem Niveau“ absolviert werden. In Spanien müssen sich Studierende einem großen Eingangstest unterziehen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.08.2011)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Rudas Geregelter UniZugang keine
Hochschule

Rudas: Geregelter Uni-Zugang, keine Beschränkung

Die SPÖ-Bundesgeschäftsführerin rückt zur Schadenbegrenzung aus: Der Uni-Zugang müsse geregelt werden, die neue Studieneingangsphase sei dabei ein Schritt. Von den Unis kommen indes neue Hiobsbotschaften.
Matznetter Unis selbst Chaos
Hochschule

Matznetter gibt Unis Schuld an ihrer Misere

Die Unis müssten den "Schulbetrieb" aufgeben, dann gäbe es genügend Studienplätze, sagt der SP-Wirtschaftssprecher. Die Uni Wien überlegt derweil die Einstellung einzelner Studien.
Rektor will dass Unis
Hochschule

TU: Rektor für Umwandlung von Unis in GesmbH

Die Technische Universität ist schon jetzt im Budget-Minus. "Mittelfristig habend die Unis nur eine Chance, wenn sie in GesmbH umgewandelt werden", sagt Peter Skalicky.
SPoeWende Ende freien UniZugangs
Hochschule

SPÖ-Wende: Das Ende des freien Uni-Zugangs naht

Die SPÖ freundet sich mit Zugangsbeschränkungen für die Unis an. Studiengebühren könnten folgen. Aber nur, wenn die ÖVP ihren Widerstand gegen die Gesamtschule aufgibt. So sieht es ein möglicher Kuhhandel vor.
Schmidinger europaeischer Ebene regeln
Hochschule

Schmidinger: "Auf europäischer Ebene regeln"

Interview. Der Rektor der Uni Salzburg, Heinrich Schmidinger, will Gelder von der EU und eine Quote für überlaufene Fächer.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.