Michael Buselmeiers "Wunsiedel" spielt nicht zufällig in der Heimatstadt des Dichters Jean Paul.
Wunsiedel – der wunderliche Name dieses oberfränkischen Kreisstädtchens passt zum berühmten Dichter, der dort aufgewachsen ist. Zu Ehren Jean Pauls finden dort jedes Jahr die Luisenburg-Festspiele statt, und die haben auch in Buselmeiers Roman „Wunsiedel“ einen prominenten Platz. Dessen Protagonist hat sich – wie der Autor – in jungen Jahren als Schauspieler versucht und ist in Wunsiedel katastrophal gescheitert. Vier Jahrzehnte später kehrt er an den Ort seiner Niederlage zurück.
Eine Hommage an den romantischen Künstlerroman ist „Wunsiedel“, ein später Nachfahre von Mörikes „Maler Nolten“, Karl Philipp Moritzs „Anton Reiser“ oder Goethes „Wilhelm Meister“ – und eine Hommage an den romantischen Dichter Jean Paul. Bei ihm fand der Erzähler als junger Mann „nahezu alles, was ich im Leben suchte und so dicht beisammen nicht finden konnte: das Idyllische und tränenreich Sentimentale, das kauzig Satirische, klassisch Erhabene, schwärmerisch Emphatische, das höllisch Zerrissene, Grausige und Trostlose“. Und das alles findet der Leser wiederum in Buselmeiers Roman, freilich ironisch gebrochen in der Perspektive des älteren Herrn.
Ein älterer Herr ist auch der in Heidelberg geborene Autor. Sein bisheriges Werk beinhaltet vor allem etliche Gedichtbände. „Wunsiedel“ erinnert an seinen zwei Jahrzehnte alten Roman „Schoppe“ (so heißt auch der Protagonist im neuen Roman), in dem sich Buselmeier mit Stifters „Nachsommer“ auseinandersetzte. Muss man Jean Paul und die deutsche Romantik lieben, um „Wunsiedel“ zu lieben? Nein – aber man kann sie lieben lernen, indem man „Wunsiedel“ liest.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.10.2011)