Die mörderischen Späße der Neonazis

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In der rechtsextremen Szene florieren Verschwörungstheorien und ein „Döner“-Song wirft die Frage auf, wie viele eigentlich von der Existenz der Terroristen ahnten.

Wien/Berlin. Die Propagandabeauftragten der rechtsextremen Szene reagierten umgehend: Zwei Wochen nach dem medialen Auffliegen der Zwickauer Terrorzelle, der neun Morde an Immigranten und einer an einer Polizistin von 2000 bis 2006 zur Last gelegt werden, gibt es nun Fanartikel zu kaufen, die die Verbrechen verharmlosen.

Zynische Spaßkultur nach Neonazi-Art: „Killer Döner nach Thüringer Art“ prangt in Blockschrift auf T-Shirts, die im RCQT-Onlineshop zu bestellen sind. Auf ihnen ist ein Totenkopf in Form eines Kebab-Fleischspießes abgebildet, im Hintergrund zwei lange gekreuzte Messer. Preis: 18,95 Euro, exklusive Versandkosten. RCQT, es steht für Reconquista, ist ein einschlägiger Internet-Versandhandel in Berlin, der üblicherweise auf T-Shirts mit Anti-Ausländer-Sprüchen spezialisiert ist. RCQTs Werbeslogan lautet „Fascination Feschismus“.

In den Internetforen der rechtsextremen und neonazistischen Szene wird in diesen Tagen viel über die „wahren“ Hintergründe des blutigen Endes der Zwickauer Zelle gemutmaßt. Die Ermittler gehen nach der Obduktion der Leichen von Uwe M. und Uwe B. davon aus, dass sich in dem von der Polizei umstellten Wohnwagen folgendes abgespielt hat: Uwe M. habe zunächst Uwe B. erschossen, dann das Wohnmobil in Brand gesetzt und sich danach selbst getötet. In der Szene wird diese Version bezweifelt. Warum die „Untergrundkämpfer“ nicht den ungleich logischeren „Märtyrertod“ gewählt hätten, fragt etwa Schreiberin „von Arx“ im Thiazi-Forum, einer beliebten Internetplattform der rechten Szene. Die Diskussionsteilnehmer sind überzeugt, dass das Zwickauer Trio entweder entglittene V-Leute oder die Morde direkt vom deutschen Verfassungsschutz gesteuert waren.

Das mutmaßliche Zellen-Mitglied Beate Z. und ein Komplize sitzen in Untersuchungshaft. Gegen weitere Verdächtige bzw. Unterstützer – Ermittler schätzen ihre Zahl auf bis zu zwei Dutzend – ermitteln derzeit 450 Beamte.

Hymne für den „Döner-Killer“

Die Ermittler dürften sich unter anderem für Daniel Giese interessieren. Der Rechts-Rocker veröffentlichte mit seiner Gruppe „Gigi und die braunen Stadtmusikanten“ 2010 das Album „Adolf Hitler lebt!“. Ein Song darauf nannte sich „Döner-Killer“. „Neun Mal hat er schon gekillt / Doch die Lust auf Töten ist noch nicht gestillt / Profiler rechnen mit dem nächsten Mord / Die Frage ist nur, wann und in welchem Ort“, grölt Giese. Und: „Am Dönerstand herrschen Angst und Schrecken /K ommt er vorbei, müssen sie verrecken / Kein Fingerabdruck, keine DNA / Er kommt aus dem Nichts / Doch plötzlich ist er da.“

Der Song kam auf den Index, in der Neonazi-Szene wurde er zum Hit. Es klingt fast so, als hätte Giese vor einem Jahr schon mehr gewusst als die Beamten.

Auf einen Blick

Zwei Wochen nach der Aufklärung der Mordserie an neun Einwanderern und einer Polizistin sind im Internet erste „Fanartikel“ der Zwickauer Neonazi-Terrorgruppe aufgetaucht. Ein Berliner Onlineversand bietet etwa T-Shirts mit dem zynischen Aufdruck „Killer Döner nach Thüringer Art“ an (siehe links). [Internet]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.11.2011)

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