In Wien geht die Suche nach einem Fußgängerbeauftragten in die nächste Runde, unterdessen häufen sich fußgängerfreundliche Umgestaltungen. Nachholbedarf gibt es laut Experten bei der Schaffung von „Verweilplätzen“.
Wien. Wie die perfekte Stadt für einen Fußgänger aussieht, hängt von einem Rollator ab: Wenn sich eine Person mit dem Gehwagen problemlos durch die Stadt bewegen kann, hat auch der Fußgänger genügend Platz und Raum. Das heißt: keine Kanten, genug Abstandsflächen zwischen Radfahrer, Autofahrer und Fußgänger, sagt Dieter Schwab, Obmann des Vereins „Walk Space“ zur Vertretung der Interessen von Fußgängern.
Schwab sitzt auf einer Bank am Jenny-Steiner-Weg in Wien-Neubau. Der Platz rundherum wurde vor einigen Jahren umgestaltet – für Schwab ein gelungenes Beispiel für Fußgängerfreundlichkeit: Bäume wurden gepflanzt, Sträucher ebenso, breite Bänke aufgestellt, wo gerade zwei Radfahrer pausieren und eine Pizza essen. Rückzugsorte wie dieser sind für Schwab auch ein Gradmesser, wie fußgängerfreundlich eine Stadt ist. Idealerweise sollte jedes Grätzel über solch einen „Verweilort“ verfügen, so der Experte. In Wien gebe es in dieser Hinsicht noch einiges zu tun – ganz besonders in den Randbezirken.
Insgesamt aber sieht Schwab die Entwicklung positiv: So ist die Stadt Wien derzeit auf der Suche nach einem Fußgängerbeauftragten, der in Verkehrsfragen die Interessen dieser Gruppe vertreten soll (die Bewerbungsfrist ist Anfang August abgelaufen, zurzeit finden die Vorstellungsgespräche statt). Umgestaltungen wie am Jenny-Steiner-Weg sind keine Seltenheit mehr (derzeit wird über die Umgestaltung der Shoppingmeile Mariahilferstraße verhandelt) – und im November findet die bereits sechste österreichische Fachkonferenz für Fußgänger im Rathaus statt, wo internationale Experten über Themen wie Shared Space und Straßengestaltung referieren. Ein rollatortaugliches Land ist Österreich aber dennoch nicht.
Österreich im Mittelfeld der EU
Eine jüngst veröffentlichte Analyse des Verkehrsclubs Österreich (VCÖ) zeigt, dass sich die Alpenrepublik in Sachen Fußgängersicherheit nicht im Spitzenfeld der EU bewegt – im Ranking belegt sie den zehnten Platz. Das Risiko, in Österreich an einem Verkehrsunfall zu sterben, ist doppelt so hoch wie in den Niederlanden – dem sichersten Land für Fußgänger, so VCÖ-Koordinatorin Bettina Urbanek.
Potenzial für die Verbesserung der Lage sieht Urbanek in der Errichtung von Shared-Space-Gebieten und der Parkraumbewirtschaftung. Werden etwa Garagen gebaut, könnten die entstandenen „überirdischen“ Plätze in Gehwege umgestaltet werden. Der Kampf um die Gehsteige ist erst kürzlich wieder aufgeflammt, als in Mariahilf, Neubau und der Josefstadt Schilder für die neuen Anrainerparkplätze aufgestellt wurden – auf dem Territorium der Fußgänger. Dabei gäbe es Alternativen zum Schilderwald, etwa Farbmarkierungen am Gehsteigrand. In Linz habe man damit gute Erfahrungen gemacht, so Schwab.
Für schlechte Erfahrungen sorgen dafür Ampeln, die nur gefühlte zwei Sekunden auf Grün stehen. Abhilfe könnten Ampeln schaffen, die nach einem Knopfdruck angeben, wann und für wie lange die Grünphase kommt. Eine solche steht bereits an der Linken Wienzeile, Höhe Kettenbrückengasse.
In der Serie „Wien mobil“ bisher erschienen: „So ist Wien unterwegs“ (17. 7.), „Parkplatzproblematik“ (20. 7.), „Rad fahren“ (23. 7.), „Auto fahren“ (30. 7.), „Wiener Hauptbahnhof“ (6. 8.), „Beliebte U-Bahn“ (17. 8.).
("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.08.2012)