Materialwahl. Mit nachhaltigen und smarten Produkten versuchen Hersteller, ihre Produkte ressourcen- und energieschonender zu gestalten – oder sie ganz neu zu denken. Einige Beispiele.
Gebäude tragen beträchtlich zu Ressourcenverbrauch und Emission von Treibhausgasen bei. Nicht nur in der Nutzungsphase, sondern auch bei Herstellung und Abriss. Die Verwendung nachhaltiger Baustoffe reduziert den ökologischen Fußabdruck von Gebäuden beträchtlich. Kein Wunder also, dass sich Bau- und Dämmmaterialien wie Holz, Lehm, Stroh, Schafwolle, Zellulose zunehmender Beliebtheit erfreuen: Sie sind zum Teil nachwachsend, leicht zu recyceln und verbrauchen in der Verarbeitung in der Regel wenig Energie. Damit sie ihre Vorteile ausspielen können, ist eines wesentlich: „Ein nachhaltiger Baustoff sollte so regional wie möglich sein“, sagt Barbara Bauer vom Österreichischen Institut für Baubiologie und -ökologie (IBO).
Neue Ziegelrezepturen
Doch auch Baustoffe, deren Herstellung deutlich mehr Energie verbrauchen, sind auf gutem Wege zu mehr Nachhaltigkeit. Beim soeben fertiggestellten Bauhof in Bludenz realisierte etwa die Concrete 3D GmbH eine um ein Drittel leichtere Deckenkonstruktion für das klimaschonende Betonflachdach – durch den Einbau von Schalungen aus dem 3-D-Drucker werden Material und Emissionen gespart. Der Ziegel- und Infrastrukturanbieter Wienerberger investiert jährlich rund 60 Millionen Euro in neue Strategien und konnte von 2020 bis 2023 die CO2-Emissionen um 15 Prozent verringern. Am Standort Pinkafeld wurde unter anderem die Materialmischung in den Ziegelprodukten verändert – diese enthält nun 76 Prozent weniger CO2 als zuvor. Zudem wurden Stückgewichte und Bruch verringert.
Im Werk Uttendorf geht Wienerberger mit dem Projekt „Green Bricks“ die Dekarbonisierung der Ziegelproduktion an: der erste industrielle Elektroofen weltweit in der Ziegelproduktion, neue Tonmischungen und weitere Maßnahmen sollen eine Reduktion der CO2-Emissionen um etwa 90 Prozent ermöglichen. „Damit schlägt dieser Ziegel den Carbon-Footprint von Holz und anderen Baustoffen um Längen“, sagt Johann Marchner, Geschäftsführer Wienerberger Österreich. Der neue Ofen, der aktuell eingebaut und mit 100 Prozent Ökostrom, auch aus eigener PV-Anlage, betrieben wird, wird schrittweise in Betrieb genommen und bis zu einer Produktionskapazität von 270 Tonnen Ziegel pro Tag getestet und evaluiert. Der erste, nahezu klimaneutrale Wandziegel soll im Sommer 2024 gefertigt werden, ab 2025 wird das Werk in Vollbetrieb gehen.
Sich auflösende Betonsäcke
Das Werkstoffunternehmen Baumit setzt auf kurze Wege und neue Rezepturen – und kann mit dem Steinbruch Dürnbach sowie dem Zement-, Kalk-, Trockenmörtel- und Nassproduktewerk direkt am Standort Wopfing mit „Zero Kilometer Materials“ aufwarten. Ein Drittel des produzierten Zements und Kalks verbleibt am Standort und wird zu Mörtel, Estrich und Putz weiterverarbeitet. „Damit werden mehr als 5000 Lkw-Fahrten eingespart“, sagt Georg Bursik, Geschäftsführer Baumit GmbH. Innovationen gibt es auch beim Produktsektor: Mit speziellen Platten können Fassaden versehen und begrünt werden, mit der All-in-Technologie können Abfall reduziert und Fahrten zur Müllhalde vermieden werden. „Mit diesem Trockenbeton gibt es keinen Abfall und weniger Staub, da sich die Verpackung beim Mischprozess auflöst und zu einem Bestandteil des Produkts wird“, erklärt Bursik. Da das Ausleeren des Betons entfällt, reduziert sich die Staubentwicklung um 40 Prozent. Gelebte Kreislaufwirtschaft ist der GO2morrow Recycling Beton: Anstelle der bisherigen Kalksteinkörnung wird für diesen zu 100 Prozent gewaschene, recycelte Betonbruchkörnung eingesetzt.
Solarelement im Dachziegel
Neue Möglichkeiten im Neubau, Bestand und Denkmalschutz eröffnet eine Kombination aus flachem Dominodachziegel und PV-Modul. Die beiden Unternehmen Creaton und Autarq kooperieren seit Jahren. Die bauwerkintegrierte Fotovoltaik ergänzt das Angebot des Unternehmens im Bereich solarer Energiegewinnung auf dem Dach, die auch Inroof- und Aufdachsysteme einschließt. Verbaut werden die schwarz glasierten oder engobierten Elemente im Verbund oder im Austausch gegen die Originalziegel. Durch das modulare System können Anordnung und Größe der Solarfelder flexibel gewählt werden. Alle Verbindungskabel und Steckkontakte bleiben unter den Ziegeln verborgen und sind gegen Witterungseinflüsse geschützt. Durch die Parallelschaltung der Module bleibt die Gesamtspannung unter 120 Volt, dazu kann die Anlage mit allen gängigen PV-Wechselrichtern kombiniert werden. Außerdem: Die Solardachziegel sollen bald auch in Rot erhältlich sein.
Auf einen Blick
Wie klimatauglich ein Baumaterial oder Produkt ist, setzt sich aus mehreren Kriterien zusammen: etwa ressourcenschonende Entstehung oder Zusammensetzung, emissionsarme Produktion, kurze Wege, Recyclingfähig- und Kreislauffähigkeit.