Koalition

„Burger“-Video: Werner Kogler stützt Karl Nehammer

Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) veröffentlichte am Donnerstag ein weiteres Video. „Ich stehe dazu, dass sich Leistung lohnen muss“, sagt er darin.
Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) veröffentlichte am Donnerstag ein weiteres Video. „Ich stehe dazu, dass sich Leistung lohnen muss“, sagt er darin.APA / Roland Schlager
  • Drucken

Im grünen Klub löste Karl Nehammers geleaktes „Burger“-Video Empörung aus. Vizekanzler Werner Kogler nahm es gelassener – und verwies auf die gemeinsame türkis-grüne Politik.

Der Wochenrückblick offenbart mit Stand Donnerstagabend eine an Empörungspotenzial nicht gerade arme innenpolitische Woche. Sie könnte einen Vorgeschmack auf die kommenden Monate bis zur Nationalratswahl geben: Nach FPÖ-Politikern auf Besuch bei den afghanischen Taliban, einem geleakten Sora-Papier an die SPÖ und Social-Media-Spott über russische Rubelmünzen auf ÖVP-Sujets der neuen Imagekampagne sorgte Mittwochabend ein geleaktes Video von Kanzler Karl Nehammer (ÖVP) für den nächsten (Social-Media-)Aufreger.

Darin erging sich Nehammer, im Rahmen einer internen Parteiveranstaltung der ÖVP Hallein, der auch Verfassungsministerin Karoline Edtstadler beiwohnte, über Frauen, Kinderarmut und der Möglichkeit, billig bei McDonald‘s zu essen. Was am Donnerstag folgte waren Rücktrittsaufforderungen an Nehammer, eine eigens einberufene SPÖ-Pressekonferenz und heftige Attacken des eigenen Koalitionspartners.

Grüner Klub schäumt, Kogler nicht

„Ich habe mit meinen Sozi-Freunden oder linken Freunden, das ist jetzt ein Euphemismus, könnt‘s euch vorstellen, das sind keine Freunde“, beginnt die Rede in dem Video, das in einer Vinothek Ende Juli aufgenommen wurde. Die Echtheit hat die ÖVP bestätigt. Im Anschluss empört sich Nehammer über Frauen, die in Teilzeit arbeiten, obwohl sie keine Betreuungspflichten haben („Wenn ich zu wenig Geld habe, gehe ich mehr arbeiten“) oder darüber, dass die „Linken“ immer kritisierten, dass es Kinder gebe, die keine warme Mahlzeit bekämen. „Wisst‘s, was die billigste warme Mahlzeit in Österreich ist?“, fragt Nehammer rhetorisch in die Runde. „Ist nicht gesund, aber sie ist billig: ein Hamburger bei McDonald‘s“, sagt der Kanzler sarkastisch. Auch die Sozialpartnerschaft wird von ihm später polemisch kritisiert, ebenso die Gewerkschaften, den „größten Bremsern“ bei der Rot-Weiß-Rot-Card.

Schon Mittwochabend schlugen diese Aussagen auf X (vormals Twitter) hohe Wellen. Das Video ging viral, der Hashtag #Nehammer und #Rücktritt lagen auch am Donnerstag in den Trends. Sein grüner Koalitionspartner reagierte ebenso schnell und durchaus heftig: Zuerst waren es die Mandatarinnen Ewa Ernst-Dziedzic, Meri Disoski und Barbara Neßler, die von „erschreckenden“, „zynischen“ und „schockierenden“ Aussagen sprachen.

Zur koalitionären Eskalation führte das Video aber tags darauf nicht: Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) gab den Beschwichtiger. Bei einem Medientermin anlässlich einer Kampagne für den Kulturbereich, die er mit Staatssekretärin Andrea Mayer am Donnerstag präsentierte, verwies er auf die mit der ÖVP beschlossenen Maßnahmen im Bereich der Sozialhilfe und Kinderbetreuung. Die vielen Rücktrittsaufforderungen, die sich in der Zwischenzeit an Nehammer gerichtet hatten, kommentierte er dabei nicht.

„Glas nicht immer halbleer“

Kogler signalisierte dabei eindeutig Koalitionsräson: Das Video habe er nicht gesehen, meinte er relativierend. Was er aber gehört habe, gehe es darin um Fragen der Kinderbetreuung und -armut. „Gerade da ist in letzter Zeit mit dem Regierungspartner sehr viel weitergegangen“, und „daran arbeiten wir weiter“, sagte Kogler. Er verwies auf das paktierte Kinderarmutspaket, den Ausbau der Kinderbetreuung und die Sozialleistungen, die künftig an die Inflation angepasst würden.

Dass Nehammer in dem Video offenbar auf Dinge verwies, die „mit den Grünen nicht umsetzbar wären“, bestätige ja nur, dass man als Grüne die beste Antwort auf jene Aussagen Nehammers gebe, die nun Empörung hervorriefen. Auf die Frage, ob ihn die denn gar nicht verärgerten, meinte Kogler: „Für mich zählen Ergebnisse und die können sich mehr als sehen lassen.“ Man dürfe das Glas „nicht immer nur halbleer“ sehen. Explizit lobte er die gute Zusammenarbeit mit „Nehammer und Wöginger (August, ÖVP-Klubchef, Anm.).

Grüne Mandatarinnen „schockiert“

Im grünen Klub hörte man allerdings weniger versöhnliche Stimmen. Klubchefin Sigrid Maurer kommentierte via X, dass sie die „Empörung gut nachvollziehen“ könne. In weiterer Folge verwies sie aber wie Kogler auf die „zahlreichen Maßnahmen“, die man beschlossen habe und den Ankündigungen des Kanzlers zum Ausbau der Kinderbetreuung, denen er nun auch „Taten folgen lassen“ solle. Denn: „Politik gegen die Armen statt gegen die Armut“ sei „mit uns nicht möglich“.

Die Menschenrechtssprecherin der Grünen, Ewa Ernst-Dziedzic, hatte ihre Kritik, ebenfalls auf X, schon am Mittwoch harscher formuliert: In den Aussagen erkenne man „offene Abwertung einer sozial gerechten Politik“, die „wenig überraschend Teil der bürgerlichen Verrohung“ sei. In dasselbe Horn stieß Barbara Neßler, Familiensprecherin der Grünen: Nehammers „zynische Aussagen“ über finanziell benachteiligte Familien seien „erschreckend“ und zeigten nur, „wie weit weg er von den Lebensrealitäten der Bevölkerung“ sei, sagt sie zur „Presse“.

In Österreich gebe es mehr armutsbetroffene Kinder als Einwohner in Graz. Die grüne Frauensprecherin Meri Disoski befand die Aussagen als „schockierend“. Das Video zeige, „gegen welche Widerstände wir uns in Sozialpolitik durchsetzen“.

Babler ruft zum Ablenkungsmanöver

Als willkommene Steilvorlage, um seine eigenen PR-Sorgen in den Hintergrund zu befördern – ein internes Strategiepapier der Sora war erst am Mittwoch aufgepoppt, zudem gibt es Unruhe in der Wiener SPÖ rund um Grundstückdeals im Schrebergarten –, versuchte SPÖ-Chef Andreas Babler das Nehammer-Video zu nutzen: Er berief am Donnerstag kurzerhand eine eigene Pressekonferenz ein. Um 11.30 Uhr wurde sie kurzfristig angekündigt, um 13.30 Uhr bereits abgehalten.

Dabei holte Babler zum Rundumschlag gegen den Kanzler und dessen ÖVP aus. Die Menschen in Österreich hätten „sich einen Bundeskanzler verdient, der sie respektiert“, sagte Babler. In dem Video aber sei ein Bundeskanzler zu sehen, „der die Leute für etwas verachtet, das nur er ganz direkt und persönlich zu verantworten hat.“ Das habe sich Österreich nicht verdient. „Wer Menschen nicht mag, kann keine politische Verantwortung in diesem Land übernehmen.“ Christlich-sozial sei bei der ÖVP „nix mehr“.

Auch FPÖ-Parteichef Herbert Kickl kritisierte Nehammer scharf. Er sprach von Aussagen, die „empathielos, empathielos, abgehoben, eiskalt“ seien. Sie legten „Verachtung für die armutsgeplagten Menschen an den Tag“. Wiens Vizebürgermeister Christoph Wiederkehr (Neos) nutzte, ebenfalls via Video, die Causa zur Werbeeinschaltung in eigener Sache: Seine Bildungspolitik hätte „kostenloses, warmes, gesundes Essen“ an allen Ganztagsschulen Wiens eingeführt.

Nehammer kontert mit neuem Video

Kritik an Nehammer kam auch von der Caritas: Präsident Michael Landau schrieb, dass in Österreich niemand verhungern müsse, weil wir „in der Geburtsortslotterie einen Haupttreffer gezogen haben“, schrieb der Geistliche. Doch „wer sagt, dass in Österreich niemand hungert oder friert, hat von der Wirklichkeit der Menschen keine Ahnung.“

Am Donnerstagnachmittag ging Nehammer schließlich, ebenso via Video, in den Verteidigungsmodus über. In einem Social-Media-Video bekannte sich der Kanzler zu seinen Aussagen: „Ich stehe dazu, dass sich Leistung lohnen muss und dass Eltern eine Fürsorgepflicht für ihre Kinder haben.“ Für die warme Mahlzeit, das Zähneputzen und das rechtzeitige Zubettgehen.

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.