Klassik

Rafael Fingerlos: Menschen mit Musik berühren

Das Teatro Colon ist eines der größten Opernhäuser. Rafael Fingerlos in einem Anzug des Labels Eigensinnig. 
Das Teatro Colon ist eines der größten Opernhäuser. Rafael Fingerlos in einem Anzug des Labels Eigensinnig. Gabriela Bardon
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Ob große Opernbühne, intimer Konzertsaal Stahlbauhalle oder Prater-Picknick: Der Bariton Rafael Fingerlos begeistert mit authentischem Musizieren.  

Er ist der erste Österreicher seit 70 Jahren, der im Teatro Colón in Buenos Aires mit einem Sololiederabend auf der Bühne steht. Das argentinische Opernhaus ist eines der größten der Welt und hat eine glorreiche Geschichte: Maria Callas betörte hier das Publikum, Leonard Bernstein und Igor Strawinski dirigierten legendäre Aufführungen. Im September gab Rafael Fingerlos dort sein Debüt. Als Danilo in der „Lustigen Witwe“, bald darauf mit einem Recital. „Mit Liedern einen Saal für 3800 Menschen vollzubekommen ist in Europa nicht einfach“, sagt der Bariton. Im Gepäck hatte er Mozart, Schubert, Mahler und Brahms für den ersten Teil („,Wie bist du, meine Königin‘ ist eines der schönsten Brahms-Lieder überhaupt.“) und ­italienische Arien für den zweiten Teil.

Die Menschen erreichen und berühren – das ist es, was Rafael Fingerlos will. Egal ob auf der großen Opernbühne oder im intimen Rahmen des Mozartsaals. Dort ist der Bariton demnächst mit seinem Programm „Franz“ zu erleben. Konzipiert hat er es gemeinsam mit Franz Welser-Möst, inhaltlich geht es aber um einen anderen Franz: Franz Schubert, dem er sich auf ungewöhnliche Weise nähert. „Ich wollte ein Programm machen, das Volksmusik und Klassik verbindet“, erzählt der Sänger. Und so stehen sie zu sechst auf der Bühne: neben Fingerlos und seinem Pianisten Sascha El Mouissi auch das Ensemble Tschejefem (Johanna Dumfart – Diatonische Harmonika, Gitarre, Gesang, Michael Dumfart – Klarinette, Bassklarinette, Gesang, Fabian Steindl – Zither, Gitarre, Kontrabass) sowie der Erzähler Michael Dangl. Letzterer schlüpft in die Rolle des Komponisten und liest aus dessen Original-Briefen. Musiziert wird in unterschiedlichsten Konstellationen und Arrangements: Mal singt Fingerlos begleitet von Klavier, Zither, Klarinette und Gitarre, dann wieder stimmen die Dumfart-Geschwister in seinen Gesang ein oder Fingerlos greift zur Knöpferl-Harmonika. Selbst jodelnd ist er zu erleben . . . „Lang hat sich die Klassik auf ein Podest gestellt, und die Volksmusik wurde mit volkstümlicher Musik verwechselt und war daher bei Musikerinnen und Musikern nicht so gut angeschrieben, Dabei ist die echte Volksmusik ein hochqualitativer Schatz!“, meint der Sänger. „Es wird Zeit, die Musik wieder zu den Menschen zu bringen, dort, wo sie hingehört.“

Ins kalte Wasser

Aufeinander hören, miteinander spielen, authentisch musizieren – darauf komme es an. Bei „Franz“ werden Klassikliebhaber überrascht, aber auch Volksmusik-Fans kommen auf ihre Kosten. „Aus dem Konzert geht niemand ­hinaus, der nicht berührt wurde“, sagt Fingerlos, der selbst aus der Volksmusik kommt. Zu Hause, in Mariapfarr im Lungau, wurde immer gesungen. „In meiner Familie war jede Art von Musik präsent. Mein Vater war Klassikfan. Ich hätte eigentlich Posaune lernen sollen. Mit 16 habe ich mir dann von der Oma die ersten Gesangsstunden gewünscht.“

Von da an ging es steil bergauf: Beim ersten „Prima la Musica“-Auftreten räumte er alle Preise ab, es folgte das Gesangsstudium an der Universität Wien. „Da meinte mein Opa noch: Singen muss man nicht lernen“, so Fingerlos augenzwinkernd. 2015 sang er im Rahmen des Young Singers Project bei den Salzburger Festspielen, 2016 debütierte er an der Semperoper Dresden als Papageno, kurz darauf wurde er als Ensemblemitglied der Wiener Staatsoper engagiert. „Ich bin ziemlich schnell ins kalte Wasser gesprungen – und zum Glück geschwommen.“ Viel Zeit zum Nachdenken blieb dem Shootingstar nicht, nach viereinhalb Saisonen an der Staatsoper mit einigen großen Partien hatte er zahlreiche internationale Angebote und entschloss sich, den Vertrag nicht zu verlängern und eigene Wege zu gehen. „Ich wollte selbst entscheiden, was und mit wem ich singe, meine Entwicklung selbst vorantreiben.“ Der Kalender für Herbst 2020 war voll — dann kam Corona. „Eineinhalb Jahre ist nichts passiert. Im Frühjahr 2022 ging es dann wieder los, mit dem Debüt an der Mailänder Scala. Der Druck war groß. Es war ein super Publikumserfolg, und sogar die strengen italienischen Kritiker streuten mir Rosen. Das hat mir wieder Vertrauen gegeben“, erzählt Fingerlos.

Zahlreiche internationale Auftritte hinderten ihn aber nicht daran, ein Herzensprojekt in seiner Heimat zu verwirklichen: Im Juli ließ er im Rahmen seines Projektes „Oper Lungau“ Mozarts „Così fan tutte“ in einer Stahlbauhalle erklingen – mit dem Staatsorchester Rheinische Philharmonie (unter Marcus Merkel) und einem internationalen Top-Cast. „Ein wahres Meisterwerk“, jubelten die „Salzburger Nachrichten“.

Macht des Moments

Was wünscht er sich für die Zukunft? „Weiter gesund wachsen.“ Im schnelllebigen Sänger-Business ist das nicht immer leicht. „Aber es ist wichtig, sich so aufzustellen, dass man eine lange Perspektive hat.“ So schlägt er auch Rollen aus, wenn sie mit seiner Entwicklung nicht vereinbar sind. „Ich habe das Gefühl, dass es erst richtig losgeht.“

Wie hält er sich fit? „Ich verbringe viel Zeit in der Natur, mache Körperarbeit, ernähre mich gesund und habe die Volksmusik als musikalischen Ausgleich.“ Vor Netflix und TikTok hat er keine Angst. „Die Menschen werden immer das brauchen, was man im Konzert vermittelt. Echte menschliche Emotion wird man nicht ersetzen können.“ Früher habe er es bedauert, nichts Bleibendes zu schaffen, heute weiß er: „Genau der Moment macht es aus!“ 

Tipp

„Franz“. Rafael Fingerlos, Sascha El Mouissi, Johanna Dumfart, Michael Dumfart, Fabian Steindl, Michael Dangl. 3. November 2023, Wiener Konzerthaus

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