TV-Notiz

„Absoluter Quark“: Israels Armeesprecher streitet in „ZiB2“ über Zahl ziviler Opfer

Armin Wolf (li.) im Gespräch mit Armeesprecher Arye Sharuz Shalicar.
Armin Wolf (li.) im Gespräch mit Armeesprecher Arye Sharuz Shalicar.Screenshot ORF TVThek
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Der Sprecher der israelischen Armee, Arye Sharuz Shalicar, war zu Gast in der „ZiB2“. Seine Mission war klar: Die Opferzahlen im Gazastreifen in eine scheinbar akzeptable Perspektive zu setzen. Etwa mit dem Wort „Beieffekt“.

„ZiB2“-Moderator Armin Wolf musste gleich zu Beginn des Interviews am Montagabend mit Arye Sharuz Shalicar, dem Sprecher der israelischen Armee, seine Frage zwei Mal stellen: Wohin sollen die Menschen, die sich vor den Kämpfen in die südliche Stadt Rafah geflüchtet haben, gehen, wenn auch diese Zuflucht angegriffen wird? Richtig beantworten konnte Shalicar die Frage nicht. Er sprach vage von humanitären Zonen, etwa Al-Mawasi, einem kleinen Küstenstreifen, der die Hunderttausenden Menschen niemals adäquat aufnehmen könnte, oder von humanitären Korridoren – doch sagte Shalicar nicht, wohin diese führen würden. Innerhalb des Gazastreifens, in den bisherigen infrastrukturellen Zentren Khan Younis und Gaza-Stadt, ist die Infrastruktur weitgehend zerstört.

Das Problem sei, „dass die Terroristen, die sehr feige sind natürlich, unterirdisch, aus Wohngebieten, aus Krankenhäusern, aus Schulen, aus Moscheen, aus UNRWA-Gebäuden und auch in zivil operieren. Deshalb müsse man auch ganz klar am Namen nennen, wer Schuld ist am menschlichen Leid und das ist nach wie vor, vom ersten Tag an bis heute, einzig und allein die palästinensische Führung im Gazastreifen“, betonte Shalicar seine Perspektive. Er wob damit gleich die schwerwiegenden Vorwürfe in seine Antwort mit ein, Mitarbeiter der Hilfsorganisation UNRWA der UNO hätten bei dem Terrorangriff vom 7. Oktober eine Rolle gespielt; die Menschen würden den Terroristen am „Allerwertesten“ vorbeigehen. Eine Argumentation, die sich auch schwer bestreiten lässt.

„Der Feind ist nicht die Zivilbevölkerung“

Es waren die rhetorischen Ausflüchte, wenn es um die Zahl der palästinensischen Zivilisten geht, die bei dem Krieg ums Leben gekommen sind, die das TV-Gespräch prägten. Von Zivilisten, „die kollateral leider eventuell auch verletzt wurden, wenn nicht schlimmer“, war da die Rede. Das sei „leider ein sehr, sehr schwieriger Beieffekt, den wir uns absolut nicht wünschen“. Denn Israel sei an der Lage nicht schuld. „Uns liegt nicht daran, unschuldige Menschen (...) zu verwunden, das liegt nicht in unserem Interesse. Jedoch ist unser Feind, die Hamas und der Islamische Jihad natürlich, sie tun alles dafür, ihre eigenen Menschen zu missbrauchen, als Schutzschilder zu benutzen.“

Moderator Wolf hakte nach, warum man denn immer wieder eine relativ präzise Schätzung der getöteten Terroristen nenne, nie aber eine Zahl der getöteten Zivilisten im Gazastreifen? „Als Armee sind wir als Kampf mit dem Feind. Der Feind ist nicht die Zivilbevölkerung, sondern die Terrororganisation Hamas“, wollte Shalicar einmal mehr auf den Ursprung des Konflikts hinweisen. Das macht er in jeder Antwort auf Fragen des „ZiB2“-Moderators. Zivile Opfer? Das unschöne kriegsbürokratische Wort „Beieffekt“ fiel hier noch einmal. „Ich nehme an, dass die Alliierten zur Zeit des Zweiten Weltkrieges im Kampf gegen die Nazidiktatur, nicht Zivilisten gezählt haben, damals“, sagte Armeesprecher Shalicar.

Wie viele tote Zivilisten sind verhältnismäßig?

Sofern man den Angaben der palästinensischen Behörden und Hilfsorganisationen trauen könne, hätten die israelischen Streitkräfte weit mehr Zivilisten als Terroristen getötet, warf Moderator Wolf ein. „Ja, das ist erst einmal absoluter Quark“, gab Shalicar zurück und holte zu weiteren geschichtlichen Vergleichen aus. Die US-Armee hätte im Kampf in Mossul 2016 bis 2017 rund 4000 bis 5000 IS-Kämpfer getötet, wobei 11.000 Zivilisten ums Leben gekommen seien. In Gaza stehe man „einer ganz andern Situation“ gegenüber, da die Hamas kein „Fremd-Eindringling“ sei, sondern „authentisch gazanisch“ und auch in der zivilen Administration alles unter ihrer Kontrolle habe.

Und als Zuseher fragte man sich einmal mehr: Wie unterscheidet man überhaupt genau zwischen diesen beiden Gruppen in einer Region, in der eine Terrororganisation einen derart tragfähigen zivilen Arm, also Verwaltung und Co, entwickelt hat?

>> Das „ZiB2“-Interview in der ORF TVThek

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