Tisch für vier

Lokalkritik im Café Kandl: Cool Dining

Christine Pichler
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Glückliche Köche und Weinkompetenz mit größter Lässigkeit: Cool Dining als Update im Café Kandl.

Will man dem Generationenwechsel in der Gastro ein Sinnbild geben, bietet sich eine Reise nach Wien Neubau in die Kandlgasse an. Nachdem wir zuletzt zu Gast waren, als man hier noch Frühstück servierte, bietet sich außerdem ein Update an. Es brummt ja das ganze Grätzel mit seiner Dichte an interessanten jungen Lokalen; wir inspizierten das Café Kandl (kleine Irreführung: Café war das einmal, heute wird ausschließlich abends aufgetischt; der Name durfte bleiben). Dort gehen Twentysomethings zu Werke wie in der WG; alle scheinen zu tun, wozu sie sich berufen fühlen und woran sie Freude haben; in der Küche, an der Bar, im Service, wobei sich das alles irgendwie durchmischt. Weiß man um die heutige Ertragssituation in der Gastro, auch bei vollem Haus, dann kommen hier wahrscheinlich eine ganze Menge Jobs zusammen.

Jedenfalls sind die Plätze am Herd kein Schreckensort für niedere Chargen, denen der geniale Chef Kommandos bellt, nein, hier kochen gefühlt Freunde, die‘s echt draufhaben, für Freunde, die quasi zufällig zahlende Gäste sind. Schon einmal ein atmosphärischer Glücksfall. Wir können das so sagen, denn mit einem Platz an der Theke hatten wir freien Blick in die Küche, deren Holzkohlegrill ein roter Vorhang freigibt wie eine Bühne.

Die Lässigkeit erschöpft sich keineswegs in obligat tätowierten Unterarmen und Hälsen, dem heutigen Gastro-Look, sie lebt auch im Small Talk zur Weinsituation: Unprätentiöser, gleichwohl kompetent, kann man die Lage im Glas kaum klären. Die Weinkkarte ist dabei absolut bombastisch in Fülle und Tiefe - da steckt Obsession dahinter, der man einmal in geeigneter Runde nachspüren muss. Ebenso den Cocktails, denen ein Ruf vorauseilt.

Christine Pichler

Die feste Nahrungsaufnahme starten wir mit der Faux Gras, was eine witzige gänsefreie Idee ist: Paté aus Radicchio und Pilz mit Rotweingelée auf Brioche (14 Euro). So fleischlos kann‘s nicht weitergehen: Tortelloni scharen sich um eine Markscheibe, die wir mit dem Löffelchen um ihren Inhalt erleichtern (16 Euro). Selten widerstehen können wir bei Steak Frites (28 Euro), freilich kein Schaden: die Frites in Kalbsfett auf die belgische Art in Form gebracht, so gehört das. Zur Balance: Gegrillter Radicchio, weil bitter so gesund ist - hier auch köstlich in Schawarma-Gewürzen auf Tahina mit Granatapfel (16 Euro). Welchen Spaß man am Konzipieren der Gerichte hat, zeigt das Frittierte Lamm Barbacoa (18 Euro): geschmortes Lamm frittiert in Taco-Bröseln - mit einer Sauce aus Pink Habaneros, die einem nicht die Pappalatur verbrennt.

Info

Café Kandl, Kandlgasse 12/2, 1070 Wien,

Tel.: +43/(0)1/890 89 38 15

Di Sa: 18 - 1 Uhr

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