Tisch für vier

Lokalkritik im Al Zaytouna: Kalibrierung, wie’s wirklich gehört

Al Zaytouna
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Abwechslung nach den Hipsterbuden: Ernsthaft, gut und viel essen im libanesischen Al Zaytouna.

Libanon, gebeuteltes Land, das in ­seiner aktuellen Verfasstheit wohl nur Wagemutige zum Bereisen einlädt (das Außenministerium hat eine Reisewarnung ausgegeben). Umso wichtiger ist ein markanter kultureller Außenposten in bester Lage, wie er mit dem Al Zaytouna am ­Wiener Stubenring errichtet ist.

Im Vorjahr aus dem dritten Bezirk in den ersten übersiedelt, hatte sich der „Olivenbaum“ (was der Name bedeutet) schon einen Namen in der Community gemacht. Nun ist seine Strahlkraft gegenüber dem MAK nicht mehr zu übersehen, denn das große, hallenartige Lokal (ehemals ­Indochine) ist ausgeleuchtet wie ein Foto­studio – nur authentisch, wer Gaststätten des Orients kennt. Was nicht heißt, dass es darin ungemütlich wäre, ganz im Gegenteil, man sitzt auf schönem Mobiliar ganz ausgezeichnet und genießt die Betriebsamkeit. Dass bei unserem Besuch unter der Woche einiges los war, unterstreicht den Bedarf an ­diesem Angebot und an dieser Stelle.

Und, ganz ehrlich, nach den vielen Hipsterbuden, so toll die auch sein können und zuweilen auch sind: Kellner in weißen Hemden, die einen nicht gleich duzen und im Service Autorität und gebührende Ernsthaftigkeit an den Tag legen, das hat schon was. Es wirkt erfrischend.

Al Zaytouna
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Dass Kochen und Essen kein Zeitvertreib im Jugendtreff sind, das bekommen wir gleich einmal mit den gemischten Vorspeisen für zwei (28,90 Euro) vorgeführt. Mit der richtigen Vorahnung kamen wir hungrig, denn es gehört zum orientalischen Brauchtum, aufzutischen, bis der Gast erschöpft abwinkt. Wir hielten uns aber tapfer bei diesem prächtigen Aufgebot an Mezze, nicht zuletzt ihrem Raffinement geschuldet. Wer auf Hommus, Taboulé und Falafel steht, und wer täte das nicht, der kriegt im Al Zaytouna ­wieder die Kalibrierung, wie’s wirklich gehört, nachdem derlei auch im Supermarkt zu haben ist. Das saure Gemüse macht Spaß und komplementiert die vollmundige Geschmeidigkeit der Dips und Pasten. Dazu ein Almaza (libanesisches Bier, 4,50) und vorauseilend einen Arak (Anisschnaps, 5,80), was fehlt jetzt noch? Ein Glas libanesischer Rotwein, verblüffend gut, man hat ja schon gehört, was da möglich ist. Schawarma und Spieße vom Huhn als Hauptspeisen (15,90 und 17,90) mit guten Pommes, dabei wäre auch Reis hier delikat. Die Karte ist groß, da gibt’s noch viel zu ent­decken. Der bewegenden Musik mit ihrer Wehmut, sicherlich nicht als Hintergrundgedudel, lauschten wir andächtig.

Info:

Al Zaytouna, Stubenring 18, 1010 Wien, Tel.: +43/(0)1/710 34 47. Mo–Fr: 11.30–23 Uhr,
Sa, So: 12–23 Uhr. Mehr Kolumnen auf: DiePresse.com/lokalkritiken

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