Österreicher mit dem Tennisschläger gegen Brüssel

Auf der schwarzen Liste
Auf der schwarzen Liste(c) REUTERS (PASCAL ROSSIGNOL)
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Ob Verbotslisten, Studienplätze, Vorratsdaten oder Kaugummis: Auch viele heimische Fälle mussten vom EU-Gerichtshof geklärt werden. Und manch Österreicher kann sich rühmen, gegen mächtige Gegner gesiegt zu haben.

Österreich und der EU-Gerichtshof (EuGH) – das ist ein ambivalentes Verhältnis. Nicht immer stoßen Urteile der europäischen Richter hierzulande auf Begeisterung. Selbst hochrangige Politikern kritisierten, dass die Juristen aus Luxemburg sich manchmal zu weit hinauslehnen würden.

Nicht für Begeisterung sorgte, dass Österreich wegen der zu hohen Brennermaut verurteilt wurde. Für noch mehr Aufregung sorgte aber ein Urteil 2005, das heimische Unis für Ausländer öffnete. Der EuGH erklärte die Differenzierung zwischen Schulabsolventen aus anderen EU-Staaten und Leuten mit österreichischem Maturazeugnis für rechtswidrig. Viele Deutsche kamen daraufhin vor allem für das Medizinstudium nach Österreich und nahmen hiesigen Maturanten den Studienplatz weg. Ein später eingeführtes Quotensystem sollte etwas Abhilfe verschaffen.

Freilich: Dass die Regeln für den Uni-Zugang nicht halten würden, war vielen Juristen schon beim EU-Beitritt Österreichs 1995 klar. Auch die hierzulande lang hochgehaltenen anonymen Sparbücher wurden unter dem Druck einer EuGH-Klage 2000 abgeschafft.

Österreich spielte auch eine Rolle, als der EuGH erstmals erklärte, dass Staaten Schadenersatz leisten müssen, wenn ihre Höchstgerichte „offenkundig“ gegen EU-Recht verstoßen. Im Anlassfall ging es um einen aus Bayern stammenden Jusprofessor, dem in Österreich trotz Arbeit im Ausland eine Dienstalterszulage gerichtlich verweigert worden war. Österreich kam aber ungeschoren davon, weil die EU-Richter meinten, dass der Verwaltungsgerichtshof nicht offenkundig gegen EU-Recht verstoßen hatte.

Gegen Facebook und Vorratsdaten

Von jenen österreichischen Bürgern, die den EuGH anriefen, wurden zuletzt vor allem zwei bekannt. Zum einen der österreichische Jurist Max Schrems, der sich seit vielen Jahren mit dem US-Unternehmen Facebook und dessen Datenschutzpraktiken anlegt. Er erreichte, dass der EuGH im Oktober 2015 das Safe-Harbor-Abkommen für ungültig und die derzeitige Praxis für rechtswidrig erklärte. Das Abkommen regelt die Weitergabe europäischer Daten an die USA (Interview mit Max Schrems, siehe Seite VIII).

Etwas weniger bekannt ist der Jurist und Techniker Christof Tschohl. Er war es aber, dem es gelang, die Vorratsdatenspeicherung in Österreich mithilfe des EuGH zu kippen. Tschohl kannte sich in der Materie gut aus, hatte er als einstiger Mitarbeiter des Ludwig-Boltzmann-Instituts für Menschenrechte doch am einstigen Gesetzesentwurf mitgeschrieben. Infolge von Tschohls Klage erklärte der EuGH im April 2014 die EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung für ungültig. Der österreichische Verfassungsgerichtshof, der den EuGH um seine Meinung gefragt hatte, hob daraufhin die auf der Richtlinie fußenden österreichischen Gesetze auf.

Doch es gibt auch kuriosere Fragen, die der EuGH auf Ansuchen von Österreichern klären musste. So wurde ein Mann im Jahr 2005 von Sicherheitsleuten gezwungen, ein Flugzeug in Schwechat zu verlassen. Das Vergehen: Der Reisende hatte einen Tennisschläger mit an Bord, und das sei laut einer geheimen Liste der EU-Kommission verboten. Doch der EuGH entschied, dass einzelne Reisende nicht an eine nie veröffentlichte Liste der EU-Kommission gebunden sein können. Die diesbezügliche Verordnung wurde für ungültig erklärt, der Passagier hatte gesiegt.

Weniger erfolgreich war im selben Jahr ein Betreiber von Kaugummiautomaten. Er hatte sich an den EuGH gewandt, um sich gegen ein österreichisches Gesetz zu wehren. Dieses sah vor, dass Kaugummis nicht mehr unverpackt in aufgestellten Automaten verkauft werden dürfen. Der EuGH sah aber kein Problem in der österreichischen Regelung. „Es wurde nämlich in der Vergangenheit festgestellt, dass unverpackte Zuckerwaren in den Automaten sowohl pathogenen Keimen, die von Verbrauchern herrühren, als auch Feuchtigkeit und Insekten ausgesetzt sind“, erklärten die Luxemburger Richter.

Auch Frauen dürfen Taucher werden

Hingegen wurden vom EuGH Berufsverbote gekippt. So gab es in Österreich ein Beschäftigungsverbot für weibliche Bergarbeiter und Taucher, das aber vor dem EuGH unterging. Die EU-Kommission hatte Klage gegen das Arbeitsverbot für Frauen erhoben.

Zu Hilfe kamen die Richter auch Frauen, die länger arbeiten wollen. Der EuGH betonte, dass Frauen nicht gezwungen werden dürfen, mit 60 in Pension zu gehen. In den Anlassfällen war Frauen gekündigt worden, weil sie das gesetzliche Pensionsalter erreicht hatten, während Männer bis Erreichen ihres Pensionsalters (65) arbeiten durften.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.05.2016)

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