Die Zeitung der Zukunft: Papier wie Glas

(c) AP (Elizabeth Dalziel)
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Zeitungspapier wird seit 160 Jahren traditionell hergestellt. In Japan aber forscht man an Zellulosefolien, die als Bildschirm dienen.

Ein Sachse war's, der vor über 160 Jahren die Herstellung des Zeitungspapiers erfunden hat. Seitdem hat sich wenig geändert. Klar, alles ist durch moderne Maschinen effizienter geworden. Aber das Grundprinzip, aus Holz Papier zu machen, ist seit Friedrich Gottlob Kellers Erfindung anno 1843 gleich. Im Gegensatz zum Drucker-, Foto- oder Kopierpapier werden beim billigeren Zeitungspapier fast alle Stoffe des entrindeten Baums ins Produkt gesteckt. Neben der Zellulose (deren Fasern das normale Papier ergeben) bleibt auch das Lignin (bräunliche Färbung) darin enthalten. „Das Lignin ist der Grund, warum das Zeitungspapier weniger lichtdurchlässig ist“, sagt Thomas Rosenau vom Department für Chemie der Boku. Der bräunliche Stoff absorbiert Licht, „daher scheint auch bei sehr dünnen Blättern die bedruckte Rückseite nicht durch“.


Gemeinsam mit Antje Potthast (die beiden sind ebenfalls Sachsen) leitet Rosenau das Christian-Doppler-Labor „Moderne Zellulosechemie und -analytik“ – Österreichs erste Adresse für Forschungen rund ums Papier. „Damals wie heute wird der Holzstamm in Wasser gegen einen Mahlstein gedrückt, um die Fasern freizusetzen“, beschreibt Potthast die kaum veränderte Zeitungspapierherstellung. Der Unterschied im 21. Jahrhundert: „Es wird viel Recyclingpapier zugemischt.“


Der Holzbestandteil Lignin ist auch daran schuld, dass Zeitungen sehr schnell vergilben. Um die neuesten Nachrichten zu drucken, brauchte man – damals wie heute – kein lange haltbares Produkt. „Die Zeitung von heute ist morgen uninteressant“, drückt es Potthast aus. Dass dem nicht ganz so ist, weiß sie besonders gut: Ihre Spezialität sind auch Forschungen, um Zeitungsbestände in Bibliotheken haltbar zu machen.

Ein „Daniel Düsentrieb aus Japan“


Starker Halt ist andererseits doch eine der Anforderungen an Zeitungspapier: „Jede Druckmaschine läuft irre schnell, das müssen die Fasern erst mal aushalten.“ Der Weltrekord liegt bei 32 Metern pro Sekunde, mit der Zeitungspapier durch die Herstellungsmaschinen fetzt. „Daher verwendet man stabile, lange Fasern von Nadelhölzern“, erklärt Rosenau.


Wie sehen nun Zelluloseforscher die Zukunft der gedruckten Zeitung? „Von gesellschaftlicher Seite denke ich, dass Zeitungen auf Papier nicht aussterben werden“, mutmaßt Potthast. Von wissenschaftlicher Seite erzählen beide aber vom „Daniel Düsentrieb aus Japan“, der an der Universität Kyoto die neueste Generation von „Papier“ entwickelt. Dieser „Düsentrieb“ heißt Hiroyuki Yano und stellt aus Zellulosefasern, dem Grundbaustein von Papier, durchsichtige Folien her, die als Träger für Elektronik dienen können. „Das ist nicht irgendeine neue Folie! Die gibt es schon aus Plastik. Der Unterschied ist, dass sich die Zellulose bei Wärme kaum ausdehnt“, erklärt Rosenau. Denn Plastik ist zum Beispiel für Bildschirme ungeeignet, da es sich bei Wärme ausdehnt: Darauf Abgebildetes wird unscharf. Erzeugt man aber durchsichtige Zellulose, hat man etwas wie „Glas aus Holz mit Eigenschaften von Plastik“: temperaturstabile, biegsame, dünne Blätter.


„Ich kann mir schon vorstellen, dass man so ein Ding zu Hause hat, es ans Internet hängt, und es projiziert einem täglich die Zeitung drauf“, sagt Potthast. Der japanische Forscher hat bereits zwei Möglichkeiten, Zellulose transparent zu machen, entwickelt: Einerseits gibt es Bakterien, die – von Natur aus, keiner weiß warum – massenweise durchsichtige Zellulose produzieren. (Man kennt deren geléeartige Substanz aus japanischen Puddings.)


Andererseits „poliert“ Yano auf Nanoebene die Oberfläche der Zelluloseblätter, bis sie völlig durchsichtig sind. „Das Tolle ist, dass man für einen solchen Bildschirm kein Erdöl zur Herstellung bräuchte. Die Zellulose ist ein nachwachsender Rohstoff und kann wieder verrotten“, lobt Rosenau die neue Möglichkeit: „Vielleicht wird das die Zeitung von morgen.“ Die Herstellung dieses „Papiers wie Glas“ ist freilich aufwendig. „Aber wenn immer mehr Nachrichten über Handy und Computer gelesen werden, wird Zeitung weniger zum Massengut. Dann ist vielleicht der Schritt zu hochwertigeren Papieren möglich“, überlegt Rosenau.


Vorerst kann er sich nicht vorstellen, dass Zeitungen auf Papier aussterben: „Auch das ,papierlose Büro‘ ist nicht Realität geworden. Ganz im Gegenteil, der Papierverbrauch ist trotz elektronischer Speicherung extrem gestiegen.“ Denn, überspitzt gesagt, ist Papier nach dem Meißeln in Stein, das es seit 6000 Jahren gibt, die zweitsicherste Methode, Daten zu sichern: Papyrus gibt es seit 5000 Jahren.


Die Forscher liefern auch Ansätze, wie man die Papierproduktion heute billiger – und attraktiver – machen könnte: Einerseits sollte Papier sortenrein recycelt werden. „Tageszeitungen lassen sich leichter recyceln als Hochglanzjournale. Trennen wäre effizient“, sagt Potthast.

Papierproduktion attraktiver machen


Weiters sei eine Erziehung der Gesellschaft notwendig, um beim teuren Bleichen der Holzstoffe zu sparen. „Wer sagt denn, dass jedes Papier hellweiß sein muss? Es werden enorm viel Chemikalien und Energie hineingesteckt, um Lignin so zu zerstören, dass es nicht mehr als dunkel erscheint. Das macht man nur für die Kundenerwartung, damit es nicht ,schmutzig‘ oder vergilbt aussieht“, erzählt Rosenau. Das müsste sich „für eine Zeitung, die einmal gelesen und dann weggeschmissen wird“, doch ändern lassen.

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