Freunderlwirtschaft: Eine ziemlich verfilzte Republik

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Es ist nicht einzusehen, wieso sich das ganze Land international ein Schmuddelimage umhängen lassen muss, nur weil es auf politischer Ebene kein Interesse daran gibt, endlich zivilisierte Verhaltenskodizes verbindlich zu machen.

Was die vergangenen Tage in der Buwog-Affäre um die offenbar ziemlich provisionsträchtige Privatisierung von Bundeswohnungen an unfassbarer filziger Freunderlwirtschaft rund um Ex-Finanzminister Karl-Heinz Grasser an die Oberfläche gespült haben, ist zwar verdammt unappetitlich, aber nicht wirklich überraschend: Überall dort, wo mit dem Geld anderer Leute hantiert wird, besteht eben Filz- und Korruptionsgefahr. Nicht nur hierzulande.

Was freilich fasziniert, ist die stoische Gelassenheit, mit der die heimische Politik auf diesen Sumpf blickt: Viel mehr als ein „das soll jetzt einmal die Justiz klären“, war da bisher nicht zu hören.

Hallo, Herr Faymann, Herr Pröll: Ist da jemand? Da gibt es einen größeren (mutmaßlichen, muss man derzeit noch sagen) Korruptionsskandal im Herzen der Republik. Rund um einen Ex-Finanzminister, der es (wegen der ebenfalls im seinem Freundeskreis abgelaufenen Homepage-Affäre) immerhin schon zu einer namentlichen Nennung im Welt-Korruptionsreport von Transparency International gebracht hat. Und da soll es keinen regulatorischen Handlungsbedarf geben?

Wollen wir weiter zusehen, wie Lobbyisten Insiderwissen aus dem Innersten der Republik ebenso illegal wie „steuerschonend“ zu Millionen machen? Wie Aufsichtsräte in Bundesimmobiliengesellschaften ihre dabei erworbenen Kontakte samt Insiderwissen nutzen, um anschließend große Provisionsgeschäfte mit ebendiesem Bund auf die Beine zu stellen? Wie (Ex-)Generaldirektoren von Staatsbetrieben (wie etwa der Bundesbahn) Familienmitglieder fett an Immo-Deals mit ebendiesen Staatsbetrieben abkassieren lassen? Wie Dissertationsbetreuer von Ministern als kleines Dankeschön da und dort Bundes-Aufsichtsrats-pöstchen zugeschoben bekommen?

Schaut das nicht ein bisschen sehr nach tiefster Dritter Welt aus?

Vielleicht sollten Sie einmal einen Blick in die jährlichen „Global Corruption Reports“ von Transparency International werfen (www.transparency.org, dieser Tipp ist aber nicht kostenpflichtig). Da hat Österreich lange ein relativ unauffälliges Dasein geführt. Ist in den letzten beiden Jahren aber gleich fünf Mal vorgekommen: mit den Fällen Bawag und MEL (als Beispiele für filzbedingtes Versagen der Bankenkontrolle), der Grasser'schen Homepage-Affäre (als Beispiel für Intransparenz politischer Spenden), mit den nicht wirklich aufgeklärten Vorgängen um die Eurofighter-Beschaffung und mit der völlig intransparenten alpenländischen Form der Parteienfinanzierung.

Das ist eine Form von geballter Prominenz, auf die ein modernes Industrieland ganz gut verzichten könnte. Die aber zeigt, dass die Vorgänge in den hiesigen Sumpfniederungen international durchaus aufmerksam registriert werden. Und die nach Maßnahmen geradezu schreit.

Zum Beispiel nach einem Verhaltenskodex, der überschießende Freunderlwirtschaft im Staatsbereich zumindest erschwert. Nach einem Regelwerk, das Parteispenden ordentlich kanalisiert und transparent macht. Und natürlich nach einer wirklich unabhängigen Antikorruptionsbehörde, die es immer noch nicht gibt (und deren Fehlen von Transparency, ganz nebenbei, auch schon moniert wird). Vor allem wird es aber langsam notwendig, internationale Standards für die Aufdecker korrupter Vorgänge einzuführen. In diesem Land riskiert ja jeder, der Korruption in seinem Umfeld öffentlich macht, seine Existenz. Da wird grundsätzlich zuerst einmal fieberhaft nach der „undichten Stelle“ gefahndet. Um diese auszuschalten, nicht um Orden zu verteilen.

Internationaler Standard ist jedenfalls etwas anderes. Beispielsweise ein „Whistleblower“-System, wie es globale Konzerne immer häufiger einführen. Das sieht so aus, dass sich Mitarbeiter anonym an eine vordefinierte externe Stelle – beispielsweise eine Anwaltskanzlei – wenden können. Und die dann der Sache nachgeht.

Auch dass ist in einem kleinen Land, wo jeder jeden kennt, noch keine hundertprozentige Aufdeckungsgarantie. Aber es ist ein wichtiges Korrektiv. Weil es Zeugenschutz bietet und Korruptionisten nicht mehr ganz so unverfroren fuhrwerken lässt.

Natürlich: Um die strafrechtliche Seite hat sich die Justiz zu kümmern. Dann, wenn es passiert ist. Als Korruptionskorrektiv gegenüber Ministerien ist eine weisungsgebundene Behörde (bei der es schon einmal vorkommen soll, dass ein Staatsanwalt einen Akt vergisst, bevor er sich die eigene Karriere versemmelt) ziemlich ungeeignet.

Um das ganze Biotop muss sich jetzt dringend die Politik kümmern. Korruption ist kein Kavaliersdelikt mehr. Und es ist nicht einzusehen, wieso sich das ganze Land international ein Schmuddelimage umhängen lassen muss, nur weil es auf politischer Ebene kein Interesse daran gibt, endlich zivilisierte Verhaltenskodizes verbindlich zu machen.


josef.urschitz@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.10.2009)

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