Früher bot der Tanzfilm vor allem Romantik und Eskapismus. Heute versucht man sich abseits des Jugendfilms auch am Psychologisieren, wie in der Serie „Flesh and Bone“, die auf Amazon angelaufen ist.
Flesh and Bone
Von Moira Walley-Beckett, 2015
Auf Amazon
Die Zeiten, in denen Tanzfilme bloß Projektionsfläche für die Fantasien verträumter Teenies und verkannter Talente sein wollten, sind vorbei. Es geht nicht mehr nur um Eskapismus, tolle Tanztechnik oder Auditions in Dauerschleife – das wird in „Flesh and Bone“ deutlich: Das Drama um die durch Inzest traumatisierte Claire, die aus der Provinz nach New York flüchtet und auf Anhieb bei der berühmten American Ballet Company aufgenommen wird, ist vor allem eines: das Psychogramm einer verunsicherten und vielschichtigen Persönlichkeit.
Die Claire von Sarah Hay (sie tanzt an der Semperoper) pendelt zwischen einer schmerzbefreiten Ballerina (der Zehennagel geht schon beim Vortanzen ab) und der verheulten Existenz eines geprügelten Duckmäuschens. Gegenspielerin Kiira (Irina Dvorovenko) nimmt Drogen, um mit den Jungen konkurrieren zu können. Ballettchef Paul (Ben Daniels) ist ein ans Sadistische grenzender Quäler, der Claire skrupellos dem sexuellen Notstand seines Hauptsponsors ausliefert („Viagra auf Spitzenschuhen“).