Leitartikel

Was hat denn Herr Trump mit dem Zwölfstundentag zu tun?

President Donald Trump stops to talk to the press before walking to Marine One to depart on the Sout
President Donald Trump stops to talk to the press before walking to Marine One to depart on the Sout(c) imago/UPI Photo (PAT BENIC)
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Wir sollten global und national bald mit dem Abrüsten beginnen, bevor uns Imponiergehabe und gesellschaftliche Spaltung in den Untergang stürzen.

Sind jetzt alle verrückt geworden? Die USA verhängen Strafzölle gegen die EU. Die schlägt mit gleicher Münze zurück. Was zur Folge haben wird, dass die Amerikaner auch noch bei europäischen Autos zulangen, was wiederum Gegenreaktionen der EU nach sich ziehen wird und so weiter. Zwischendurch verhängt US-Präsident Trump Strafzölle gegen China, die Chinesen werden sich wehren. Wohl auch gegen die Anti-Dumping-Zölle, die ihnen die EU zusätzlich androht.

Und schon stecken die drei großen Wirtschaftsmächte, die zusammen mehr als die Hälfte der gesamten Wirtschaftsleistung dieses Globus erbringen, in einem veritablen Wirtschaftskrieg. Einer, der den globalen Konjunkturaufschwung abbremsen und uns, wenn er nicht rechtzeitig gestoppt wird, wohl beträchtliche Wohlstandseinbußen bringen dürfte. Und ein ziemlich sinnloser dazu.

Einer, den in Wirklichkeit keiner will. Nicht einmal der erratische US-Präsidentendarsteller Donald Trump selbst, der beim jüngsten G7-Gipfel noch eine globale Zone ohne Handelsbarrieren, Zölle und Subventionen vorgeschlagen hat, nur um dann per Twitter um so stärker in den „America first“-Modus zu verfallen.

Trump scheint derzeit tatsächlich das größte Welthandelsproblem zu sein. Weil er nicht wirtschaftlich denkt, sondern in Kategorien von „Freund/Feind“ und von „Sieg/Niederlage“. In dieser Gedankenwelt steht das Warenhandelsmatch Eurasia:USA 2:0. Und das kann sich die derzeit einzige Supermacht eben nicht bieten lassen. So einfach ist das.

Dass die Sache ein wenig komplizierter ist, dass die Bilanz Europa/USA, wenn man den Servicebereich und die Gewinnüberweisungen der großen amerikanischen Internetkonzerne einbezieht, gar nicht so schlecht für die Amerikaner aussieht, spielt da keine Rolle.

Es ist eine Politik der verbrannten Erde. Eine solche hat meist in der Katastrophe geendet. Als zum letzten Mal Freihandel in wüstem Protektionismus versank, stand am Ende die Weltwirtschaftskrise der Dreißigerjahre. Dabei war die Weltwirtschaft damals noch viel weniger verwundbar. Jetzt haben wir es in großem Ausmaß mit globalen Wertschöpfungsketten zu tun, deren Zerbrechen ziemlichen Stress auszulösen droht.

Vielleicht kann einer der Berater Herrn Trump einmal verklickern, dass Zölle vor allem den Konsumenten – auch den amerikanischen – schaden. Und dass die vielen Mercedes und BMWs, die zum Missvergnügen des Präsidenten am Trump-Tower in der Fifth Avenue vorbeirauschen, nicht dort sind, weil die Deutschen ihre Autos in den USA zu Dumpingpreisen verkaufen.

Aber natürlich ist Trump nicht der einzige Welthandelstotengräber. Auch in Europa (dem Zölle und Handelsbarrieren keineswegs fremd sind) und in China (das unter Freihandel vorwiegend ungehinderten Export versteht) ist ein starker Rückfall in protektionistisches und nationalistisches Denken zu bemerken. Und zunehmende Verständnislosigkeit über das Funktionieren des größten Armutsbekämpfungsprogramms, das dieser Globus je gesehen hat, der Globalisierung.

Man sieht das gerade im kleinen Österreich: Dass sich ein in globalem Wettbewerb stehendes Hochlohnland mit flexiblen Arbeitsbedingungen besser behaupten kann als mit Arbeitsmodellen aus dem vorigen Jahrtausend, sollte wohl außer Frage stehen. Man könnte also meinen, dass sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer zusammensetzen und sich ein tragfähiges und faires Flexibilisierungsmodell aushandeln. Stattdessen schreien die einen in alter Klassenkampfmanier „Zwölfstundentag“. Und die anderen versuchen es mit Drüberfahren, ohne auf berechtigte Ängste der Gegenseite einzugehen.

Wir haben es im Kleinen wie im Großen mit einem Überhandnehmen von Partikularinteressen, mit gesellschaftlicher Spaltung und mit nationalistischen Rückfällen zu tun. Die Lage ist sehr ernst. Man sollte bald mit dem Abrüsten beginnen, bevor uns wirtschaftliches und gesellschaftliches Imponiergehabe in die nächste schwere Krise stürzen.

E-Mails an: josef.urschitz@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.06.2018)

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