Migrationspolitik: Keine Lager in Nordafrika

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Von den Juni-Beschlüssen für geschlossene Lager und Ausschiffungsplattformen im Maghreb ist wenig übrig geblieben.

Brüssel. „Es ist komplizierter, als wir es uns im Juni vorgestellt hatten“: So fasste ein hochrangiger EU-Diplomat dieser Tage in Brüssel den Fortschritt in der Reform der Migrationspolitik der Union zusammen. Beim Europäischen Ratstreffen Ende Juni hatten sich die Staats- und Regierungschefs bis in die frühen Morgenstunden darüber gestritten, welche Maßnahmen zur Eindämmung der irregulären Bootsmigration aus Afrika und zur Bekämpfung der Schlepperkriminalität notwendig wären. Doch die damals präsentierten Konzepte sind vier Monate später weit davon entfernt, einsatzbereit zu sein.

Das betrifft in erster Linie die sogenannten Ausschiffungsplattformen in Nordafrika. Die jenseits europäischer Hoheitsgewässer aufgefischten Bootsmigranten sollten in diese nicht näher beschriebenen Örtlichkeiten in den Maghrebländern zurückgebracht und dort davon überzeugt werden, in ihre Heimatstaaten zurückzukehren. Fortschritte gab es bisher keine, im Gegenteil: „Die kontroversiellste Idee all dessen ist, dass die Zusammenarbeit in Migrationsfragen zur Errichtung von Lagern in Nordafrika führen könnte. Das wird niemals klappen“, sagte der Diplomat. Ein EU-Botschafter bestätigte dies: „Es kann keine geschlossenen Lager an den Küsten des Mittelmeeres geben, in welche die EU die Migrationspolitik auslagert. Das verstieße gegen das Völkerrecht und unsere Werte.“

Auch die zweite zentrale Idee vom Juni, kontrollierte Asylzentren auf EU-Boden, steckt fest, weil kein Mitgliedstaat solche dauerhaft errichten will. „Erwarten Sie keine großen Ankündigungen“, sagte der EU-Diplomat. Allerdings drängt die Kommission darauf, Marokko und Tunesien zu sicheren Drittstaaten zu erklären, berichtet die Nachrichtenplattform EUobserver. Das würde Abschiebungen dorthin erleichtern.

In Zahlen gefasst ist die klandestine Migration heute jedenfalls ein überschaubares Problem. Laut neuer Statistik der EU-Grenz- und Küstenwache fiel die Zahl derartiger Grenzübertritte in den ersten neun Monaten dieses Jahres im Jahresvergleich um ein Drittel auf 100.000. Libyens Küstenwache fängt mittlerweile mehr Migranten ab, als in Italien ankommen. (GO)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.10.2018)

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