Porträt

Man nennt sie die Aktivistin

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Als Österreicherin in Paris ist Alexandra Palt für Nachhaltigkeit beim weltgrößten Kosmetikhersteller verantwortlich und will „nicht akzeptieren, dass Dinge so sind, wie sie sind“.

In Paris, wo der weltgrößte Kosmetikhersteller L'Oréal seine Zentrale hat, nennt man sie die Aktivistin. Und das scheint eine recht treffende Beschreibung der 46-Jährigen zu sein: Die Österreicherin Alexandra Palt ist Chief Corporate Responsibility Officer und hat den Konzern im Hinblick auf Nachhaltigkeit nachhaltig umgekrempelt – was die Zuschreibung erklärt.

Dabei war für sie nach ihrem Jus-Studium in Wien längst nicht klar, dass sie beruflich in der Corporate-Welt landen würde. Sie arbeitete zunächst in einer Anwaltskanzlei mit einer Spezialisierung auf Menschenrechte, ehe sie zu Amnesty International Deutschland wechselte. Corporate Social Responsibility hatte sie begeistert: Ab 2003 arbeitete sie in Paris für IMS-Entreprendre pour la Cité, ein Netzwerk, das Mitgliedsbetriebe dabei unterstützt, Chancengleichheit zu forcieren. 2006 wechselte sie zur französischen Gleichbehandlungs- und Antidiskriminierungskommission. 2008 machte sie sich mit einer CSR-Beratung selbstständig und absolvierte eine Postgraduate-Ausbildung in Cambridge in Sustainability Leadership. 2012 schließlich kam sie zum Konzern. Als Wechsel zum Klassenfeind, so habe sie das nie gesehen, sagt Palt. Was sie wollte und nach wie vor will: „Dinge verändern, wobei mir Menschen- und Frauenrechte ein besonderes Anliegen sind.“ Non-Profit-Organisationen haben oft nicht die Ressourcen für Veränderung, im öffentlichen Bereich sei die Veränderungsgeschwindigkeit oft zu gering.

Bei L'Oréal drückte sie aufs Tempo: Es gab zwar zahlreiche Nachhaltigkeitsmaßnahmen, aber zu wenig strategische Verankerung. Daher rief sie 2013 das Nachhaltigkeitsprogramm „Sharing Beauty With All“ ins Leben, das bis zum kommenden Jahr alle Bereiche der Wertschöpfungskette hinsichtlich Nachhaltigkeit optimieren soll. 2015, rechtzeitig vor der UN-Klimakonferenz in Paris, kündigte sie an, der Konzern werde bis 2020 CO?-neutral arbeiten.

Um derartige Veränderungen in einer so großen Organisation umzusetzen, müsse man strategisches Gespür und Verständnis für Change Management haben. Wenn man Veränderung ins Herz eines Unternehmens bringen wolle, sollte man nicht mit der Frage beginnen, wie die Dinge technisch funktionieren. Vielmehr gehe es darum, von den Meinungsführern zu erfragen, welche Veränderung zuletzt erfolgreich war, und herauszufinden, warum sie funktioniert hat. Das gebe eine gute Orientierung. Unerlässlich sei darüber hinaus, gutes Wissen über die Unternehmenskultur zu haben.

Palt ist klar, dass die Nachhaltigkeitsvorhaben des Unternehmens ehrgeizig sind. Sie kennt auch die größten Hürden: „Wir Menschen sind nicht schnell genug darin, unsere Lebensweisen zu verändern. Und im Konsumverhalten klaffen Anspruch und Wirklichkeit auseinander.“ Das Thema der Produktverpackungen sei dabei nur eines der großen Probleme.

„Nicht da, um geliebt zu werden“

Wer sich in den Bereich der Corporate Responsibility – der in vielen Unternehmen noch immer stark unterschätzt und mitunter als Abstellgleis für bestimmte Mitarbeiter gesehen bzw. missbraucht werde – begebe, der dürfe „nicht akzeptieren, dass Dinge so sind, wie sie sind“. Und überhaupt: Selbst wenn man Veränderungen schon in Gang gesetzt habe, müsse man immer noch einen Schritt weitergehen. Palt, seit April Ehrenmitglied im Österreichischen Rat für nachhaltige Entwicklung, lebt diesen Anspruch: „Ich bin nicht da, um geliebt zu werden.“ Genauso wenig sollte man an die eigene Karriere denken.

Überhaupt lebe sie nach dem Prinzip: Ich sage, was ich mir denke. „What you see is what you get, das erspart dann später Überraschungen“, sagt Palt.

Ihre Arbeit erfordere nicht nur jede Menge Leadership, sondern auch eine intensive Beschäftigung mit dem internen Wertekatalog. Denn nicht selten gebe es Zielsetzungen, die im ersten Moment widersprüchlich erscheinende Interessen vereinbaren müssen, etwa wenn es darum geht, Nachhaltigkeitsziele mit ökonomischen Vorstellungen unter einen Hut zu bringen. Wichtig sei daher, dass „der CEO überzeugt ist“, sagt Palt. Und mit ihm die Führungskräfte, denn deren Verhalten sei determinierend für die Mitarbeiter.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.05.2019)

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