Peter Jordan: "Der Teufel ist ein zynischer Geselle"

Peter Jordan Teufel zynischer
Peter Jordan Teufel zynischer(c) APA/FRANZ NEUMAYR (FRANZ NEUMAYR)
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Er ist bei den Salzburger Festspielen das sogenannte Böse. Peter Jordan über Lügen auf der Bühne, satanische Intendanten und den vergeblichen Wunsch, ein Popstar zu sein.

Beim „Jedermann“ gab es in diesem Jahr einen Wechsel beim Protagonisten und bei der Buhlschaft, auch viele Änderungen in der Regie. Wie hat sich das auf Ihre Doppelrolle als Teufel und Guter Gesell ausgewirkt? Wie ist das Zusammenspiel mit Nicholas Ofczarek und Birgit Minichmayr?

Peter Jordan: Im Gegensatz zum Vorjahr war die Umstellung gar nicht so groß für mich. Ich habe jetzt eben eine andere Farbe als Teufel. Aber mit dem Guten Gesellen ist es tatsächlich schwieriger, die Doppelrolle zu erzählen. Mit Peter Simonischek als Jedermann, der ja älter ist als ich, war es anders als mit einem Gleichaltrigen. Da muss man sich anpassen. Das geht aber bei einem routinierten Kollegen wie Herrn Ofczarek in einem Tag. Wir haben ganz einfach etwas Neues probiert.

Sie sind jetzt ein altmodischer Geck, und Jedermann ist der Yuppie, der Porschefahrer.

Wir passen aber zusammen, wie zwei Strizzis. Der Gesell ist zwar Angestellter, aber er ist auch ein Freund. Regisseur Christian Stückl hat das immer mit André Heller und einem Begleiter verglichen, einer Art Finanzberater. Immer wenn ein Gespräch über das Künstlerische hinausging, sagte Heller, das müsse man mit diesem Herrn besprechen. Der lächelte dann leicht, und man wusste, jetzt geht es ums Geld und um das Marketing.

Welche Verkleidung gefällt Ihnen besser: die als Dandy oder als der offensichtliche Teufel, der Krampus?

Der Teufel, denn eine Metafigur macht mehr Spaß. Man kann sich jeden Blödsinn ausdenken, den man möchte, und Herr Stückl dampft das dann ein.

Diesmal waren die österreichischen Kritiker dem „Jedermann“ sehr gewogen, die deutschen nicht. Haben Sie eine Erklärung?

Das ist ein intellektuelles Problem. Was in Salzburg als Fest gefeiert wird, kann in Deutschland nicht positiv aufgenommen werden. Ich sehe da ein uraltes Phänomen. Alles was nach U und Humor riecht, kommt im deutschen Feuilleton nicht gut an. Der „Jedermann“ ist aber eigentlich E. Viele Kollegen in Deutschland haben mir gesagt, ich solle das nicht machen. Ich sagte: „Leute, das ist viel Geld, und vor allem sind es 2500 Zuschauer auf einem Haufen! So viele hatte ich nie. Das Ding ist immer ausverkauft. Ich wäre gern Popstar geworden, wenn ich das gekonnt hätte. Wenn diese Zuschauer begeistert sind, wird es richtig laut. Diesen Platz zu bewältigen ist schon eine Aufgabe.

Warum?

Hier auf dem Domplatz gibt es eine vollkommen andere Art zu spielen. Du kommst raus, sagst: „Hoho, da bin ich!“, und musst sofort ankommen, verstanden werden. Man kann sich nicht langsam heranarbeiten, da bist du dann schon durch mit deiner Rolle.

Wollen Sie länger bleiben?

Nächstes Jahr schon noch, wir sind am Verhandeln. Aber würde Ofczarek gehen, würde ich auch gehen.

Wann haben Sie denn Ihr offensichtliches Talent für Komik entdeckt?

In der Schule war mir das schon bewusst, in der Schauspielschule nicht mehr so. Die Komik war nicht das Motiv für meine Schauspielkarriere, sondern der Ärger, dass ein Mitschüler die Aufnahmsprüfung in die Schauspielschule geschafft hat. Das hat mich so gereizt, dass ich mein Medizinstudium opferte. Ich wurde auch gleich genommen, weiß aber bis heute nicht, warum das so war. Na ja, eine Ahnung habe ich schon.

Sie kommen nicht aus einer Schauspielerfamilie. Woher haben Sie das dann?

Ich glaube, auch meine Eltern und meine Schwester sind gute Schauspieler, nur üben sie diesen Beruf nicht aus. Mein Vater kann sehr lustig sein, er hat einen trockenen Humor. Meine Mutter ist eher im Tragödienfach daheim und kann ausgesprochen dramatisch sein.

Wie haben die Eltern Ihre Berufsentscheidung aufgenommen?

Das war schon hart, als ich die Medizin aufgab. Mittlerweile ist es o.k. Ich verdiene genug Geld, hoffe, das bleibt so.

Sie sind derzeit sehr präsent, auch durch die Krimiserie „Tatort“, in der Sie den Hamburger Kommissar Uwe Kohnau spielen. Werden Sie viel darauf angesprochen?

Das ist schon ein gutes Format, aber ich habe das Talent, unauffällig zu bleiben. Manchmal glauben Leute, sie erkennen mich, wissen mich aber nicht genau zuzuordnen. Die sagen dann: „Aber Sie sind es ja wahrscheinlich doch nicht.“

Sind Sie sogar in Hamburg unauffällig?

Dort kennt man mich eher noch durch die Bühne. Ich war neun Jahre am Thalia Theater.

Jetzt arbeiten Sie aber seit einiger Zeit frei und leben in Berlin.

Ich wollte einfach einmal ein paar neue Theaterkantinen kennenlernen. Im Herbst spiele ich in „Die Jüdin von Toledo“ im Burgtheater.

Ihre Lebensgefährtin hat auch im „Tatort“ gespielt, in Kiel. Gibt es Konkurrenz?

Nein, nicht zwischen uns. Eher zwischen den Männern und den „Tatorten“, wegen der Einschaltquote. Da gibt es einen richtigen Wettbewerb. Ich habe eine gute Rolle und einen guten Sender. Ich mag meinen „Tatort“, der nächste wird, glaube ich, besonders spannend. Zweimal im Jahr kann man das schon machen.

Sind Sie im Leben schon teuflischen Menschen begegnet?

Im engeren Bereich, würde ich sagen, sind das die Intendanten und Kollegen. Der Beruf ist sehr konkurrenzlastig. Regisseure müssen ihre Machtspielchen machen. Aber es stirbt niemand davon - wenigstens nicht direkt.

Was sagen Sie, wenn Sie einen Menschen verletzen wollen?

Ich frage: „Wie alt sind Sie eigentlich?“

Was ist Ihr stärkster teuflischer Zug?

Ich bin ziemlich zynisch, deshalb gefällt es mir in Österreich so gut. Wenn man hier „Du siehst hervorragend aus“ hört, weiß man nie, wie das gemeint ist.

Zynismus erleichtert auch die Theaterarbeit, wenn man nicht mehr weiterweiß.

Da bewundere ich im Gegensatz dazu die Arbeit von Peter Stein, dessen „Ödipus auf Kolonos“ ich hier in Hallein gesehen habe. Das ist so unzynisch, klar und direkt, er nimmt sich so viel Zeit. Es ist bewundernswert, wie Klaus Maria Brandauer nur so dasitzt und konzentriert den Text vorträgt. Viele Junge sind heute nicht einmal mehr fähig zuzuschauen. Teuflisch finde ich, dass man sich keine Zeit mehr lässt, dass alles immer lauter wird. Ich mag auch keine Mikroports und Videos auf der Bühne mehr. Das ist inzwischen schon so abgeschmackt. Je älter ich werde, desto mehr versuche ich, weniger zynisch zu sein. Jetzt sehe ich junge Kollegen, die so bissig sind wie ich früher in ihrem Alter. Da setze ich inzwischen Milde dagegen. Ich freue mich heute über alles, was klappt. Ich sage nicht: „Hört auf zu klatschen, das ist doch alles Mist!“

Und wenn es nicht klappt? Der Teufel steckt im Detail, sagt man.

Das ist die Tücke des Objekts – wenn Sie vier Stunden hervorragend Hamlet gespielt haben, dann zücken Sie das Schwert, und der Griff bricht ab. Das können Sie nicht mehr aufholen. Ein berühmter Schauspieler hat einmal Wallenstein gespielt. Dann geht er in sein Zelt, in Todesahnung, kommt noch mal raus und stellt die Schuhe vor das Zelt. Aus! Vier Stunden umsonst gespielt. Kleinigkeiten können einem alles versauen. Die Welt holt einen ein.

Ist der Film zynischer als das Theater?

Das ist, wie wenn Sie Fotos von sich machen. Da kann ich mich selber sehen. Beim Theater kann man sich verkleiden, andere spielen, also auch ein Komödiant sein. Beim Film werden Sie meist als das genommen, was Sie sind. Das kann ganz schön enttäuschen.

Wem sehen Sie denn ähnlich?

Ich glaube, ich habe ein historisches Gesicht. In einen deutschen Bergfilm würde ich gut reinpassen. Und Uniformen stehen mir. Das wäre gut für Hollywood. Da kann man als Deutscher ohnehin nur einen Nazi spielen.

Ist Ihnen eigentlich auch schon passiert, dass Sie nicht gut drauf waren, Sie treten auf, es klappt nicht mit den Kollegen, Sie schauen ins Publikum, sehen nur leere Gesichter und denken sich, jetzt geh ich aber?

Das ist zu sechzig bis siebzig Prozent so.

Da müssen Sie aber sehr diszipliniert sein.

Ich versuche immer, die Inszenierung so zu erfüllen, wie sie einstudiert war, nicht so wie manche große Kollegen, die so spielen, wie sie sich gerade fühlen. Das Publikum hat Geld gezahlt. Das Vorspielen ist ohnehin gelogen. Man kann ja versuchen, noch besser zu lügen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.08.2010)

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