Die Regierung denkt über neue Corona-Regeln nach. Ein Grund ist auch der Tourismus, dem derzeit auch Reisewarnungen zu schaffen machen. Doch wie weit soll man gehen? Ist eine frühere Sperrstunde ein geeignetes Mittel? Diskutieren Sie mit!
Jetzt ist er also da, der mit Spannung erwartete Kommissionsbericht zu den Vorfällen in Ischgl im März 2020. Gut fällt er nicht für die Landespolitik aus, denn, so die Experten: Vieles wäre vermeidbar gewesen, unter anderem die überhastete Abreise der Urlauber. „Politische Konsequenzen sind in Tirol nach Ronald Rohrers Abschlussbericht über die Causa Ischgl unausweichlich“, schreibt Köksal Baltaci in einem Kommentar.
In Ischgl und anderen Wintersport-Hochburgen bereitet man sich schon längst auf einen neuen Skiwinter vor. Einen, in dem alles skandalfrei laufen soll - und ohne klassisches Aprés Ski. Ischgl hat etwa eine eigene Screening-Station errichtet, bei der sich Gäste kostenlos testen lassen können. Dennoch werden wohl viele ausländische Gäste – in manchen Orten machen sie fast 90 Prozent aus – heuer daheim bleiben. Verschärft wird die Situation durch Reisewarnungen, etwa aus Deutschland. Erste Skigebiete überlegen sogar schon, nicht aufzusperren.
»Millionen kleine, mittlere und große Fremdenverkehrsbetriebe in Europa werden diesen Irrsinn nicht überleben“«
Kar-Peter Schwarz
Querschreiber Karl-Peter Schwarz fühlt sich an die 1930er Jahre erinnert und die deutschen Tausend-Mark-Sperre erinnert, die Österreichs Fremdenverkehr viel Schaden zufügte. Er zitiert die Gesellschaft für Infektionskrankheiten und Tropenmedizin, die anmerkt, dass „das unsystematische, unreflektierte, großflächige Testen sowie das Screenen im Tourismusbereich oder anderen Bereichen“ kein geeignetes Mittel in der Pandemie sei. Auch mit Reisewarnungen sei dem Coronavirus nicht beizukommen. Sie hätten vor allem einen Effekt: „Millionen kleine, mittlere und große Fremdenverkehrsbetriebe in Europa werden diesen Irrsinn nicht überleben“.
Die Regierung versucht jedenfalls, mit allen möglichen Mitteln Reisewarnungen zu verhindern. Nicht zuletzt wurde deshalb in Teilen Österreichs die Sperrstunde vorverlegt, in Wien war das trotz Regierungsempfehlung bisher nicht der Fall, stattdessen gibt es aber Gästelisten in Lokalen.
Was könnte sonst noch passieren? Ulrike Weiser und Oliver Pink haben sich umgehört, vom Gesundheitsministerium heißt es lediglich, neue Maßnahmen würden „diskutiert und evaluiert“. Das Bildungsminister erteilte längeren Herbstferien vorerst eine Absage, auch einen klassischen Lockdown schließt die Regierung aus.
Etwas habe die Coronakrise jetzt schon für diesen Winter mit sich gebracht, meint indes „Presse"-Wirtschaftschef Gerhard Hofer. Nämlich mehr Verständnis dafür, wie wichtig der Tourismus für Österreichs Wirtschaft ist. Dazu gehöre vor allem auch das Bewusstsein, dass dies nicht nur „das Problem der Westösterreicher ist.“ Hofer sieht in der Krise auch eine Chance einer wirklichen Erneuerung: „Seit einer halben Ewigkeit wird von Nachhaltigkeit und Ganzjahresjobs gesprochen, doch de facto hat sich kaum etwas geändert.“ Jetzt könnte die Zeit endlich gekommen sein.
Dass sich etwas ändern sollte, davon ist auch der Tiroler Fotograf Lois Hechenblaikner überzeugte. Er dokumentierte 26 Jahre die Party-Exzesse im winterlichen Ischgl. Für das „dicke, schnelle Geld" im (Après-Ski-)Tourismus zahle man im Ort auch einen hohen Preis, sagt er. „Wer das nicht sieht, ist ein Opfer des Systems“, sagte er im „Presse"- Interview.
(sk)
Diskutieren Sie mit: Wie weit soll Österreich heuer gehen, um die Wintersaison heuer zu retten? Was sollten Bundesländer wie Wien und Niederösterreich beitragen? Welche Vorkehrungen müssen die Skigebiete schaffen? Und: Bringt die Coronakrise auch Chancen für den Tourismus?