Seit Tagen steht die Regierung wegen der verspäteten Rettungsaktion für Ortshelfer massiv in der Kritik. Auch der Geheimdienst BND gerät in Erklärungsnot. Noch am vergangenen Freitag hielt er eine rasche Eroberung Kabuls für „eher unwahrscheinlich“.
Berlin. Die Eilmeldung verbreitet sich rasend schnell: Ein Deutscher ist am Freitag in Kabul angeschossen worden. Der verletzte Zivilist war auf dem Weg zum Flughafen gewesen. Die Nachricht ereilte eine aufgewühlte Bundesrepublik. Mit großer Heftigkeit streitet das politische Berlin über die Frage, wer die Hauptverantwortung dafür trägt, dass auch Deutschland die Lage am Hindukusch falsch eingeschätzt hat und dass afghanische Ortskräfte nicht schon vor Wochen und Monaten ausgeflogen worden sind, wie das vielfach gefordert worden war.
Die schnelle Rettung scheiterte offenbar auch an der langsamen deutschen Bürokratie und an politischen Bedenkenträgern. Außenminister Heiko Maas (SPD), Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU), Innenminister Horst Seehofer (CSU) und Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) schieben sich teils gegenseitig die Verantwortung für das Fiasko zu. CSU-Chef Markus Söder richtet aus, dass er die Zuständigen, namentlich Maas, nach der Wahl nicht mehr in Regierungsverantwortung sehen will. Der zuletzt selbstkritische Außenminister gab in einem Interview dem Bundesnachrichtendienst BND eine erhebliche Mitverantwortung an dem Fiasko.