Inmitten der Spannungen mit der Ukraine hält Russland an seinen Waffentests fest. Präsident Putin soll die Übung vom Kreml aus gestartet haben.
Inmitten schwerer Spannungen mit dem Westen hat die Atommacht Russland seine geplanten Manöver mit Einsatz ballistischer Raketen durchgeführt: Samstagmittag haben russische Streitkräfte mit der Erprobung ihrer Raketenbewaffnung begonnen. Präsident Wladimir Putin habe die Übung, die den Namen „Grom“ (Donner) trägt, vom Kreml aus gestartet, sagte Sprecher Dmitri Peskow der Agentur Interfax zufolge in Moskau. Auch der belarussische Machthaber Alexander Lukaschenko sei dabei gewesen. Er war bereits am Freitag zu Gesprächen in die russische Hauptstadt gereist. Auf Fotos von Staatsmedien waren die Politiker an einem großen Tisch zu sehen.
Das russische Verteidigungsministerium hatte das Manöver am Freitag angekündigt. Es soll demnach im Voraus geplant gewesen sein. Ziel sei, die strategischen Nuklearwaffen auf ihre Zuverlässigkeit zu testen. Die Armee feuerte laut Kreml-Mitteilung ballistische Raketen und Marschflugkörper ab. Zudem sei eine Hyperschallrakete vom Typ Kinschal (Dolch) erfolgreich getestet worden.
Russland testet mehrfach im Jahr Raketen. Das Land und die USA sind die beiden mit Abstand größten Atommächte der Welt.
Russische Manöver in der Nähe der Ukraine
Laut Kreml wurde eine Übung auf einem Testgelände im Gebiet Astrachan im Süden des Landes abgehalten, eine andere auf der Halbinsel Kamtschatka ganz im Osten des Riesenreichs. Zudem seien Kriegsschiffe der Schwarzmeerflotte und der Nordflotte beteiligt gewesen.
Peskow hatte am Freitag gesagt, Putin werde das Manöver vom Gefechtsstand aus beaufsichtigen. Es war deshalb spekuliert worden, ob der 69 Jahre alte Staatschef zu den Übungen fliegt. Das Manöver wurde parallel zur Münchner Sicherheitskonferenz abgehalten.
Russische Manöver in der Nähe zur Ukraine stoßen im Westen auf Kritik. Das Verteidigungsministerium hatte zuletzt angekündigt, dass seine Truppen nach Ende von Übungen wieder zu ihren Standorten zurückkehren sollten. Das wurde von den USA und der Nato angezweifelt. Russland verlangt vom Westen Sicherheitsgarantien, weil es sich vom US-Militär und den Waffen in Europa bedroht sieht.
Verstöße gegen Waffenstillstand nehmen zu
Der Konflikt in der Ostukraine dauert schon seit fast acht Jahren an. In den Gebieten Donezk und Luhansk unweit der russischen Grenze kämpfen vom Westen ausgerüstete Regierungstruppen gegen von Russland unterstützte Separatisten. UN-Schätzungen zufolge sind bereits mehr als 14.000 Menschen getötet worden, zumeist im Separatistengebiet. Ein Friedensplan von 2015 wird nicht umgesetzt. Seit 2014 kommt es immer wieder zu Spannungen.
Nach Einschätzung internationaler Beobachter nehmen die Verstöße gegen den Waffenstillstand massiv zu. In den Konfliktregionen registrierte die Mission der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) Hunderte Fälle von Beschuss.
In der Region Luhansk seien 648 Verstöße gegen die Waffenruhe festgestellt worden, darunter 519 Explosionen, hieß es in einer in der Nacht zum Samstag veröffentlichten Mitteilung der OSZE. Für die Region Donezk wurden 222 Verstöße gemeldet, darunter 135 Explosionen. Das war eine deutliche Zunahme im Vergleich zu den vergangenen Tagen.
Separatistengebiete evakuiert
Unterdessen liefen die Evakuierungen der Städte und Dörfer in den Separatistengebieten. Seit Freitagabend werden Menschen in die südrussische Region Rostow gebracht, wo Unterkünfte bereit standen. Nach Donezker Angaben vom Samstagmorgen wurden bereits mehr als 6000 Menschen in Sicherheit gebracht, darunter 2400 Kinder. Die Luhansker Aufständischen sprachen ihrerseits am Mittag von 13.500.
Die russischen Behörden in Rostow riefen wegen der vielen Menschen den Notstand aus. "Natürlich berücksichtigen wir die Erfahrungen aus 2014. Aber es gibt auch einen grundlegenden Unterschied: 2014 war es Sommer, und die Möglichkeiten, viele Menschen unterzubringen, waren ganz andere", sagte der Gouverneur Wassili Golubew. Auch andere Regionen Russlands boten laut der Agentur Interfax Unterstützung an.
Die Separatistenführungen hatten zur Flucht aufgerufen und den Appell mit einem drohenden Angriff durch ukrainische Regierungstruppen begründet. Ukrainische Regierungsvertreter und das Militär betonten mehrfach, keine Offensive gegen die Region zu planen.
Aus dem Gebiet Donezk sollten insgesamt 700.000 Menschen in Sicherheit gebracht werden, wie die Behörden mitteilten. Der russische Präsident Wladimir Putin wies die Regierung in Moskau an, den Flüchtlingen zu helfen. Unter anderem sollten pro Person 10.000 Rubel (rund 116 Euro) ausgezahlt werden.
Gasexplosionen in Luhanks
In der Nacht zum Samstag meldeten die Behörden im Separatistengebiet Luhansk zwei Gasexplosionen. Ein Feuer an einer Gasleitung sei nach kurzer Zeit gelöscht worden, teilte das Unternehmen Luganskgas mit und veröffentlichte dazu mehrere Videos. Auch an der zweiten Stelle liefen die Löscharbeiten und die Suche nach der Ursache, hieß es. Dutzende Haushalte waren demnach von der Gasversorgung abgeschnitten. Nach dem Beschuss einer Wasserleitung im Donezker Gebiet sprachen die dortigen Behörden von Problemen bei der Trinkwasserversorgung.
"Russland sucht offensichtlich einen Vorwand, um eine militärische Offensive im Donbass zu starten", sagte der ukrainische Botschafter Wassyl Chymynez am Samstagvormittag. Die Zahl von Verletzungen der Waffenruhe durch "pro-russische Besatzer" steige, klagte er.
Vorwürfe aus Moskau, wonach die ukrainischen Streitkräfte selbst einen Angriff planten, seien wie auch andere russische Behauptungen "Desinformation" und er wolle dies "ganz entschieden" zurückweisen, erklärte Chymynez: "Die Ukraine bereitet keine militärische Offensive vor. Wir setzen auf politische und diplomatische Lösungen, die ukrainischen Streitkräfte lassen sich nicht provozieren."
(APA/DPA/Reuters)