Abschied von der Queen

Queen-Aufbahrung: Sieben Kilometer lange Warteschlange, Wachmann bricht zusammen, berührende Szenen

Rehearsal for Britain's Queen Elizabeth funeral procession in London
Rehearsal for Britain's Queen Elizabeth funeral procession in LondonREUTERS
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Zehntausende stehen seit Mittwochabend Schlange, um am Sarg von Königin Elizabeth II. in der Westminster Hall Abschied zu nehmen. Die Warteschlange ist mittlerweile sieben Kilometer lang, ein Livestream der BBC liefert emotional erdrückend intensive Bilder und ein Abbild der Commonwealth-Gesellschaft.

Zehntausende Menschen sind in London seit Mittwochabend bereits Schlange gestanden, um am Sarg von Königin Elizabeth II. persönlich Abschied nehmen zu können. Nach einer feierlichen Prozession vom Buckingham-Palast war der Sarg der Queen am frühen Mittwochabend für vier Tage in Westminster Hall aufgebahrt worden. Der Sitz des britischen Parlaments ist 23 Stunden täglich geöffnet, damit Besucher am Sarg vorbei defilieren können.

Schon zu Beginn zog sich eine Warteschlange rund vier Kilometer weit durch das Zentrum der britischen Hauptstadt, im Laufe des Donnerstags verlängerte sich die Schlange auf sieben Kilometer. Für die kommenden Tage wird mit Wartezeiten von bis zu 30 Stunden bei Schlangenlängen von teils mehr als 15 Kilometern (!) gerechnet. Einige Schätzungen gehen von bis zu zwei Millionen Besuchern aus, die der Queen ihren Respekt erweisen wollen. Mehrere Soldaten königlicher Regimenter, Polizisten sowie Beefeaters (Wachen im Londoner Tower) halten an den Ecken des Sargs Totenwache. Sie sollen alle sechs Stunden abgelöst werden, wechseln aber auch zwischenzeitlich häufig ihre Positionen.

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Für das Anstellen und Verhalten in der Schlange, die sich bisher großteils entlang der Themse von Osten her erstreckt, hat die BBC Regeln und Tipps verbreitet (siehe Link unten). Es wird darauf hingewiesen, dass man sich selten hinsetzen könne, dass Zelten verboten sei und es unterwegs Toiletten und Getränke gibt.

Abbild der britischen und Commonwealth-Gesellschaft

Der Zug der Menschen, die am Sarg vorbeigehen oder auf Rollstühlen geschoben werden, ist unheimlich eindrucksvoll, rührend und really moving. Das wird übrigens per Livestream übertragen (siehe Link unten) und ist vermutlich eines der berührendsten, dichtesten TV-Programme aller Zeiten. Es ist dabei praktisch völlig still im Saal, man hört nur dann und wann das Schreiten der Wachen beim Wachwechsel und die Kommandos des Wachkommandanten, die dieser mit kurzen Säbelstößen auf den Boden gibt.

Der Zugang für die Öffentlichkeit war am Mittwoch um 17 Uhr Ortszeit herum geöffnet worden. Die erste Person, die an der Spitze der Schlange in den uralten Saal von Westminster kam, war eine Frau mit offenbar südasiatischem Hintergrund, dunkel gekleidet und mit einem Halstuch mit Union-Jack-Motiv. Sie sah traurig drein. In einem kurzen Gespräch mit der BCC sagte die Frau namens Vanessa Nanthakumaran danach, dass sie aus Sri Lanka stamme und 48 (!) Stunden angestanden sei. Siehe unten zwei Links zu Geschichten über sie und einige der „Ersten“ in der Trauer-Schlange.

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Gleich hinter ihr kamen weitere, optisch teils sehr interessante Menschen. Etwa ein korpulenter Mann mit Holzfällerhemd und zu kurz geschnittener Lederjacke; ein Mann vermutlich afrikanischer Herkunft in traditioneller Gewandung; eine Art Alt-Hippie englischen Typs mit zurückgebundenem weißen Haar; und eine Gruppe gut gekleideter Schwarzer, bei der die Männer Zylinder trugen.

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Überhaupt bilden die Kolonnen die ganze britische Gesellschaft ab, wiewohl auch viele Touristen sowie Bürger anderer Commonwealth-Staaten, also quasi aus dem Rest des britischen Empires, darunter sind: Herren in Anzügen, Damen in Kostümen, Leute salopp in T-Shirt und Jeans, mit Sportjacken, Mänteln, Pullovern, Kinder und Alte, Weiße, studentische Typen, Menschen mit offenbar afrikanischem, karibischem, indisch-nepalesischem, chinesischem, malaysischem Hintergrund etc. Die meisten verbeugen sich kurz, man sieht spezifische Grüße verschiedener ethnischer Gruppen (etwa das Namasté der Hindus), manche haben Tränen in den Augen, andere wirken unheimlich stolz, einige mit offenbar militärischem Hintergrund tragen Orden und salutieren auf.

Ob Banker in der Londoner City, indischstämmiger Verkäufer im 24-Stunden-Supermarkt, chinesischer Koch, afrikanischstämmiger Uni-Lektor, von der Pensionistin und der Immobilienmaklerin bis hin zur Schülerin, dem Lkw-Fahrer und dem Farmer vom Land ist, soviel man zu erkennen glaubt, alles vertreten. 

Extrem bewegend war am späten Abend jenes Ehepaar, das ein körperlich schwer behindertes Mädchen in etwa im beginnenden Teenageralter in einem Spezialrollstuhl am Sarg vorbeischob. Das Mädchen trug ein schönes Kleid, und der Vater zupfte dieses vor dem Sarg zurecht, weil er wohl fand, dass es bei den Beinen unschicklich verrutscht sei.

Wachmann bricht zusammen

Für einen der Wachmänner war das lange Stehen offenkundig zu viel: Er stand in der Nacht zu Donnerstag auf einem kleinen Podest vor dem Sarg, kippte dann während eines Wachwechsels plötzlich vornüber und prallte mit dem Gesicht auf den Boden. Umstehende Wachen eilten zu Hilfe und drehten ihn auf den Rücken. Mehrere wartende Menschen, die von der Queen Abschied nehmen wollten, schlugen erschrocken die Hände vor dem Gesicht zusammen. Über den Gesundheitszustand des Wachmanns war zunächst nichts bekannt.

Der Zwischenfall war aufgrund der BBC-Übertragung live im Internet zu sehen. Der Stream wechselte daraufhin zu einer Außenansicht und erst einige Zeit später wieder in die Westminster Hall. Dort waren wie zuvor Menschen zu sehen, die in zwei Schlangen am Sarg vorbeiliefen, teils innehielten und sich verbeugten. Manche waren sichtlich bewegt.

Aufbahrung bis Montagfrüh

Angesichts der langen Wartezeit stehen Hunderte Helfer, Polizisten und Sanitäter bereit. Der Leichnam der Queen soll noch bis zum kommenden Montagmorgen (7.30 Uhr MESZ) aufgebahrt bleiben. Dann wird er zur Westminster Abbey überführt, wo mittags die Trauerfeier abgehalten wird. Danach findet das Staatsbegräbnis statt, zu dem Hunderte Staats- und Regierungschefs, Angehörige von Königshäusern und andere Würdenträger erwartet werden.

Als große Ehre gilt etwa, dass Kaiser Naruhito und Kaiserin Masako aus Japan anreisen werden - Vertreter der ältesten Erbmonarchie der Welt nehmen traditionell eigentlich nicht an Bestattungen teil, weder in Japan noch im Ausland. Angekündigt sind auch Bundespräsident Alexander Van der Bellen, US-Präsident Joe Biden, der französische Präsident Emmanuel Macron und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen.

Der Sarg der Queen wurde am Mittwochnachmittag in einer feierlichen Prozession in Begleitung der engsten Familie vom Buckingham-Palast zum Parlament gebracht. Queen Elizabeth II. war am vergangenen Donnerstag im Alter von 96 Jahren auf ihrem schottischen Landsitz Schloss Balmoral gestorben. Am Sonntag wurde ihr Sarg in die schottische Hauptstadt Edinburgh gebracht, am Dienstagabend dann nach London.

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>>> Die Ersten in der Schlange (Guardian)

>>> Die Ersten in der Schlange (Sun)

(APA/dpa/AFP/red)

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