Italien

Wo ist Giorgia Meloni nach ihrem Wahlsieg hin verschwunden?

"Schweigen mag eine notwendige Strategie sein, um Fehler zu vermeiden", kommentiert die römische Tageszeitung "La Repubblica". Meloni wisse genau, dass alle Augen auf sie gerichtet seien.
"Schweigen mag eine notwendige Strategie sein, um Fehler zu vermeiden", kommentiert die römische Tageszeitung "La Repubblica". Meloni wisse genau, dass alle Augen auf sie gerichtet seien. IMAGO/Antonio Balasco
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Keine Feierlichkeiten, keine Pressekonferenzen: Die Wahlsiegerin meidet in diesen Tagen die Öffentlichkeit. Sie bereite sich auf ihre künftige Rolle als Regierungschefin vor und feile bereits an der Ministerliste, heißt es.

Die italienische Rechtspopulistin Giorgia Meloni schweigt nach ihrem Wahlsieg bei den Parlamentswahlen am Sonntag. Nachdem sie in der Wahlnacht kurz mit ihren Anhängern feierte und sich bei den Italienern für das Vertrauen bedankte, meldete sich die Chefin der Rechtsaußen-Partei Fratelli d ́Italia (FdI - Brüder Italiens) nur noch per Tweet. Keine großen Feiern in der Parteizentrale, keine kämpferischen Slogans: Die Wahlsiegerin meidet in diesen Tagen die Öffentlichkeit.

Mit einer rosa Basketballkappe am Steuer ihres Privatautos wurde Meloni vor ihrer Wohnung fotografiert. Journalisten geht sie aus dem Weg. Nach einem Treffen mit Bündnispartner Matteo Salvini von der rechten Lega-Partei am Dienstagnachmittag wurde lediglich eine schlichte Pressemitteilung veröffentlicht, in dem die beiden Regierungskoalitionäre in spe ihren festen Kooperationswillen bekräftigten. Keine offiziellen Termine sind mit Meloni diese Woche geplant. Ihre Pressesprecherin schweigt. Nachdem sie während des Wahlkampfes im Hochsommer allgegenwärtig war, ist die Römerin Meloni wie untergetaucht und die Medien rätseln inzwischen: Wo bleibt die Wahlsiegerin?

Schweigen als „notwendige Strategie"

Laut ihrer engsten Mitarbeiterin erholt sich die 45-jährige Politikerin nach dem Sieg von den Strapazen eines harten Wahlkampfes. Sie brauche Zeit für ihre sechsjährige Tochter. Außerdem denke sie über die nächsten politischen Schritte nach. "Schweigen mag eine notwendige Strategie sein, um Fehler zu vermeiden, denn Meloni weiß genau, dass alle Mikrofone, TV-Kameras, Handys, Augen und Ohren auf sie gerichtet sind, in Italien und im Ausland", kommentierte die römische Tageszeitung "La Repubblica".

Indiskretionen zufolge bereitet sich Meloni auf ihre künftige Rolle als Regierungschefin vor und feilt bereits an der Ministerliste. Sie wäre die erste Frau in dieser Funktion in Italien. Nach Jahren auf den harten Bänken der Opposition müssten die Fratelli d ́Italia, die gegenüber den Parlamentswahlen 2018 ihre Stimmen versechsfacht haben, Regierungsverantwortung übernehmen, was in der jetzigen schwierigen Phase mit Herausforderungen im In-und Ausland eine riesige Hürde ist.

Hatte Meloni in den vergangenen 15 Monaten scharf das Kabinett des international beliebten Ex-EZB-Chefs Mario Draghi scharf kritisiert, muss jetzt die Profi-Politikerin aus dem linken Arbeiterviertel Garbatella Regierungsfähigkeiten beweisen und den Weg zur Bewältigung der vielen Probleme Italiens weisen. Energiekrise, wachsende Inflation, drohende Rezession und illegale Einwanderung sind Probleme, mit denen sich Meloni prioritär konfrontieren muss. Kaum im Einsatz muss sie das Haushaltsgesetz für das nächste Jahr mit Stützungsmaßnahmen für Familien und Unternehmen verabschieden. Die Zeit drängt: Das Budget muss bis Ende Dezember vom neuen Parlament gebilligt werden.

Proteste für Abtreibungsrecht

Inzwischen bekommt Meloni bereits die Opposition im Land zu spüren. In mehreren italienischen Städten, darunter Rom, gingen am Dienstag Frauen auf die Straße, um für das Abtreibungsrecht in Italien zu demonstrieren. Grund sind Befürchtungen, eine künftige rechte Regierung unter Meloni könnte den Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen erschweren. Die Vorsitzende der FdI hatte im Wahlkampf erklärt, sie wolle Frauen eine Alternative zur Abtreibung bieten.

Der Zugang zu Abtreibungen ist in Italien bereits jetzt oft schwierig, da zahlreiche katholische Ärzte aus Gewissensgründen eine Abtreibung ablehnen. In vielen Regionen sind es 80 bzw. 90 Prozent der Ärzte, die Schwangerschaftsabbrüche verweigern. Meloni sagte auf einer Wahlkundgebung, dass sie das Abtreibungsgesetz zwar nicht ändern werde, aber klar machen wolle, dass es "andere Möglichkeiten" gebe.

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(APA)

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