Bekanntgabe

Friedensnobelpreis geht an Menschenrechtler aus Russland, Belarus und Ukraine

Berit Reiss-Andersen, Vorsitzende des Nobelkomitees, bei der Preisbekanntgabe in Oslo.
Berit Reiss-Andersen, Vorsitzende des Nobelkomitees, bei der Preisbekanntgabe in Oslo. via REUTERS
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Ales Bialiatski aus Belarus, die russische Menschenrechtsorganisation Memorial und die ukrainische Menschenrechtsorganisation Center for Civil Liberties werden mit dem wichtigsten Friedenspreis der Erde geehrt.

Ein Friedenspreis in Zeiten des Krieges: Das norwegische Nobelkomitee vergibt den diesjährigen wichtigsten Friedenspreis der Welt an „drei herausragende Vorkämpfer für Menschenrechte, Demokratie und friedliche Koexistenz in den drei Nachbarländern Belarus, Russland und der Ukraine." Konkret werden der inhaftierte belarussische Menschenrechtsaktivist Ales Bialiatski, die Organisationen Memorial aus Russland und das Zentrum für Bürgerliche Freiheiten (CCL) aus der Ukraine für ihr Engagement für Bürgerrechte und gegen Machtmissbrauch ausgezeichnet. Das gab das norwegische Nobelkomitee am Freitag in Oslo bekannt.

Die diesjährigen Preisträger haben sich „in herausragender Weise für die Dokumentation von Kriegsverbrechen, Menschenrechtsverletzungen und Machtmissbrauch eingesetzt“, so die Vorsitzende des Komitees, Berit Reiss-Andersen, in ihrer Begründung. Gemeinsam würden sie deren Bedeutung für Frieden und Demokratie aufzeigen.

Preisträger wegen Protest gegen Lukaschenko festgenommen

Bialiatski gilt als einer der prominentesten Dissidenten aus Belarus. Der heute 60-jährige Literaturwissenschaftler setzt sich seit den 1980er Jahren für Demokratie und Menschenrechte ein. 1996 gründete er die Menschenrechtsorganisation "Wjasna" (Frühling). Er war bereits zwischen 2011 und 2014 inhaftiert. Im Gefolge der Proteste gegen das Regime von Staatschef Alexander Lukaschenko nach der belarussischen Präsidentenwahl 2020 wurde er im Juli 2021 festgenommen und wird seitdem gefangen gehalten. Er hat bereits mehrere hochrangige Auszeichnungen erhalten, darunter den "Right Livelihood Award" (Alternativen Nobelpreis) 2020 sowie den Václav-Havel-Menschenrechtspreis des Europarates 2013.

Der Aktivist Ales Bialiatski aus Belarus wurde ausgezeichnet (Archivbild)
Der Aktivist Ales Bialiatski aus Belarus wurde ausgezeichnet (Archivbild)via REUTERS

Reiss-Andersen forderte die Behörden in dem autoritär regierten Land auf, Bjaljazki freizulassen. "Wir hoffen inständig, dass das geschehen wird und dass er nach Oslo kommen kann, um seine Ehrung entgegenzunehmen", sagte die Vorsitzende des Nobelkomitees.

„Memorial International“ zwangsweise aufgelöst

Memorial International ist die älteste und wichtigste Menschenrechtsorganisation in Russland. Sie setzt sich seit mehr als 30 Jahren für die Aufarbeitung der stalinistischen Verbrechen in der Sowjetunion ein. Die Organisation selbst sowie das Memorial Menschenrechtszentrum mussten aufgrund von Gerichtsurteilen vom Dezember 2021 aufgelöst werden. Die Staatsanwaltschaft hatte beiden Memorial-Organisationen Verstöße gegen das sogenannte Ausländische-Agenten-Gesetz vorgeworfen. Im März 2022 wies das russische Oberste Gericht auch einen Aufschub der Auflösung zurück.

Und das Zentrum für Bürgerliche Freiheiten (Center for Civil Liberties, CCL) wurde 2007 in Kiew von den Leitern mehrerer Menschenrechtsgruppen aus dem postsowjetischen Raum gegründet. Die Organisation setzt sich nach eigenen Angaben für die Aufdeckung von Menschenrechtsverletzungen etwa rund um die Euromaidan-Proteste 2013/14 oder in den russisch besetzten Teilen der Ukraine ein. Sie engagierte sich in den vergangenen Jahren auch für eine Reform des ukrainischen Strafrechts und führt Menschenrechtsschulungen durch. "Ein Morgen mit guten Nachrichten. Wir sind stolz", twitterte die Organisation nach der Verkündung der Auszeichnung. Das CCL und seine Leiterin Oleksandra Matwijtschuk waren heuer bereits mit dem "Right Livelihood Award" ausgezeichnet worden.

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343 Nominierungen

Die Liste der Kandidatinnen und Kandidaten war im Vorfeld wie immer streng unter Verschluss gehalten. Bekannt war lediglich, dass insgesamt 343 Kandidatinnen und Kandidaten - darunter 251 Persönlichkeiten und 92 Organisationen - in diesem Jahr für die Auszeichnung nominiert waren.

Vergangenes Jahr war die Auszeichnung an die beiden Journalisten Maria Ressa von den Philippinen und Dmitri Muratow aus Russland gegangen. Sie erhielten den Nobelpreis für ihren mutigen Kampf für die Meinungsfreiheit.

Der Friedensnobelpreis wird als einziger der Nobelpreise nicht im schwedischen Stockholm, sondern in der norwegischen Hauptstadt Oslo vergeben. Dotiert sind alle Nobelpreise in diesem Jahr erneut mit zehn Millionen schwedischen Kronen (knapp 920.000 Euro). Überreicht werden sie allesamt am 10. Dezember, dem Todestag von Preisstifter und Dynamit-Erfinder Alfred Nobel (1833-1896).

(APA/dpa/Red. )

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