Das "System ORF Niederösterreich"

Interventionen im ORF: Rücktrittsforderungen an Mikl-Leitner und Ziegler

Von Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner werden Erklärungen gefordert - teils auch ihr Rücktritt
Von Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner werden Erklärungen gefordert - teils auch ihr Rücktritt(c) Presse/Clemens Fabry
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E-Mails und Chats aus der Zeit, als Robert Ziegler Chefredakteur des ORF Niederösterreich war, zeichnen ein Bild der systematischen Interventionen – und engen Verflechtungen mit der ÖVP. Rufe nach Aufklärung und personellen Konsequenzen werden laut.

E-Mails und Chatnachrichten aus dem Jahren 2015 bis 2021, als Robert Ziegler als Chefredakteur des ORF Niederösterreich tätig war, zeichnen ein Bild der systematischen Interventionen – und schlagen politische Wellen. Die SPÖ fordert den Rücktritt von Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP), FPÖ und Grüne pochen auf den Abgang Zieglers, der mittlerweile als Landesdirektor fungiert. Die Neos fordern eine „lückenlose Aufklärung“ der Vorwürfe ein. Bundesweit respektive vom Küniglberg aus, klingen die Reaktionen ähnlich.

Der Reihe nach: Wie die „Presse“ berichtet hat, soll Ziegler als Chefredakteur Wünsche der Politik an Mitarbeiter weitergegeben und ihre Umsetzung zuweilen auch gegen den Willen der Redakteure durchgesetzt haben. So ließ er Beiträge und Online-Artikel nachträglich abändern, veranlasste die Verwendung bestimmter, aus ÖVP-Pressetexten stammender Formulierungen und gab den Journalisten im Vorfeld ihrer Berichterstattung klare Richtlinien, mit welchen Inhalten und Personen die Beiträge zu füllen seien. Das bestätigen auch Gespräche zwischen Mitarbeitern des Landesstudios und der „Presse“. Ziegler selbst weist die Vorwürfe zurück: „Entscheidungen über die Berichterstattung fallen ausschließlich nach journalistischen Kriterien“, teilt er mit. Es handele sich um „diffuse Vorwürfe“ gegen seine Person, obgleich er seine Arbeit als Chefredakteur „nach bestem Wissen und Gewissen ausgeführt“ habe.

Damit nicht genug: Die Nachrichten weisen überdies auf eine Art hofierende Berichterstattung über landesnahe Unternehmen hin sowie auf enge personelle Verflechtungen zwischen ORF und ÖVP: So ist Zieglers Vorgängerin in der Chefredaktion, Christiane Teschl-Hofmeister, nun Landesrätin. Allesamt Umstände, die im größten Bundesland Österreichs harsche Reaktionen ausgelöst haben:

SPÖ fordert Rücktritt Mikl-Leitners

Während die ÖVP Niederösterreich auf Anfrage der „Presse“ bisher keine Stellungnahme abgegeben hat, ortet die SPÖ - konkret Landesvorsitzender und Landeshauptfrau-Stellvertreter Franz Schnabl – „schamlose Interventionen“ seitens der Volkspartei. Letztere habe „eine schwarze Linie überschritten“. Die Vorfälle zeigten „ein zutiefst gestörtes Demokratieverständnis und ein korrumpiertes System, das sofort geändert werden“ müsse, fordert Schnabl den Rücktritt von Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner „aus demokratiepolitischer Verantwortung und im Sinne der Pressefreiheit“ ein. Sein Parteikollege auf Bundesebene, SPÖ-Vizeklubchef Jörg Leichtfried, ortet in den Berichten einen „weiteren Beleg dafür, dass das Korruptionssystem ÖVP mit Machtmissbrauch und Message Control in der ÖVP NÖ (Niederösterreich, Anm.) perfektioniert wurde und wird und unter ÖVP-Chef Karl Nehammer unvermindert weiter besteht“.

„'Man weiß es ja, was ist daran also neu?' So darf keiner denken“, schreibt Neos-Bundesparteivorsitzende Beate Meinl-Reisinger auf Twitter. „Niemand kann mehr wegschauen! Dieser parteipolitische Gehorsam des ORF, die Landeshauptfrau-Spiele… Das alles ist Machtmissbrauch auf Kosten der Gebührenzahler und der Demokratie“, kritisiert sie. Ähnlich die pinke Landessprecherin Indra Collini: „Die Volkspartei muss endlich in den eigenen Reihen aufräumen, für Transparenz und saubere Politik sorgen.“ Denn: „Es ist widerwärtig, wie dieses korrupte System alles mit sich in den schwarzen Abgrund reißt.“ Leidtragende seien die Redakteure des Landesstudios.

FPÖ und Grüne pochen auf Abgang von Ziegler

„Was alle immer schon vermutet haben“, sei nun aufgedeckt worden, kommentiert FPÖ-Landesparteichef Udo Landbauer per Aussendung: „Der ORF-Niederösterreich ist Mikl-Leitners Privatfernsehen“. Über „unverhohlene Parteinahme“ zeigte sich der blaue Klubobmann erschüttert und forderte dessen sofortigen Rücktritt als ORF-Landesdirektor. Zudem pocht er darauf, das Recht der Länder auf Stellungnahme zum Vorschlag des ORF-Generals vor der Bestellung des jeweiligen Landesdirektors zu streichen.

Ähnlich reagiert die grüne Landessprecherin Helga Krismer. Wie Landbauer pocht sie auf den sofortigen Abgang von Ziegler als Landesdirektor. Darüber hinaus müsse der ORF-Stiftungsrat eine Untersuchung einleiten: „Wenn die veröffentlichten Mails der Wahrheit entsprechen, steht es leider für das Sittenbild der ÖVP und ihre Vereinnahmung von Institutionen“. Von Mikl-Leitner fordert Krismer eine Erklärung, „da sie sich stets für Robert Ziegler starkmachte“.

Weißmann lässt Vorwürfe prüfen

Er- sowie Aufklärung erwarten sich auch die Mitarbeiter des ORF-Landesstudios in Niederösterreich sowie ORF-Generaldirektor Roland Weißmann. „Es liegen ORF-intern keinerlei Beschwerden gegen den damaligen CR (Chefredakteur, Anm.) Robert Ziegler vor, auch die angeblichen Belege, auf die sich die heutigen Presse-Berichte stützen, sind dem ORF nicht bekannt“, hält letzterer in einer schriftlichen Stellungnahme fest. Den nun publik gewordenen Vorwürfen werde aber „seitens des Unternehmens selbstverständlich nachgegangen“.

Aus dem ORF-Landesstudio Niederösterreich heißt es seitens der dortigen Redaktionssprecher, dass es nun zu keiner „pauschalen Vorverurteilung der gesamten Redaktion kommen“ dürfe. Kein Zweifel bestehe daran, dass die kursierenden Vorwürfe untersucht werden „sollen und müssen“.

(hell)

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