Kerzen im Strephansdom
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Mitreden bei der Kirche: Lässt sich die Austrittswelle stoppen?

Die Zahl der Kirchenaustritte nimmt weiter zu. Befindet sich die Kirche in der Krise? Oder gibt es ganz generell bei einer Krise des Glaubens? Und: Sind Sie (noch) Mitglied? Diskutieren Sie mit!

Wie jeden Jänner veröffentlichte die Katholische Presseagentur auch heuer die aktuellen Mitgliedszahlen. Und wie jeden Jänner geben diese auch heuer viel Anlass zur Sorge für die größte Glaubensgemeinschaft Österreichs. 90.808 Personen sind 2022 formell ausgetreten. Im Jahr 2003 waren noch 71 Prozent der Menschen in Österreich Katholiken, heute ist der Anteil auf 52 Prozent geschrumpft.

Aber nicht nur das: Immer weniger (Taufschein-)Katholiken besuchen die Messe, es gibt weniger kirchliche Trauungen - und auch das Interesse am Theologie-Studium geht zurück.

Wie kam es zu dieser Entwicklung? Dietmar Neuwirth mutmaßt in einer ausführlichen Analyse zu den Kirchenaustritten, als Auslöser für die aktuell besonders hohen Zahlen werde wohl „die toxische Gemengelage" Corona(-Impfung) und Krieg zu nennen sein. Allerdings müsse man die Gründe auch anderswo suchen: „Je geringer die persönliche Nähe zur katholischen Kirche ist, umso mehr sinkt die Hemmschwelle, sich von ihr abzumelden“.

Zudem schreibt Neuwirth in einem Kommentar: „Die Daten sind Ausdruck einer Krise des Glaubens.“ Daraus müssten Schlüsse gezogen werden, „oberflächliche Reformen“ würden nichts bringen. 

»„Was der Mensch als eine Schranke seiner Selbstverwirklichung empfindet, wird abmontiert."«

Karl-Peter Schwarz

Karl-Peter Schwarz, bis Ende 2022 „Querschreiber“ bei der „Presse“, schreibt in seiner letzten Kolumne, der Niedergang der katholischen Kirche liege nicht nur an den Missbrauchsfällen und ihrer Vertuschung, sondern auch am Zeitgeist. Denn: „Was der Mensch als eine Schranke seiner Selbstverwirklichung empfindet, wird abmontiert.“ Schwarz meint auch: „Während, obgleich oder gerade weil die Kirchen seit Jahrzehnten so gut wie alles tun, um sich der Welt möglichst geschmeidig anzupassen, wendet sich die Welt vom christlichen Glauben immer mehr und immer rascher ab.“

Aber gibt es Reformen die wirkungsvoll wären? Rudolf K. Höfer, Universitätsprofessor für Kirchengeschichte, hat da eine klare Meinung, die er in einem „Presse"-Gastkommentar vertritt: Das „Kirchenbeitragsgesetz des NS-Regimes im Jahr 1939 nach der Annexion Österreichs“ müsse unbedingt abgeschafft werden. Er findet, der Kirchenbeitrag in der heutigen Form sollte abgeschafft werden: „Das Dilemma wäre mit Steuerwidmung aus einem Teil des Steueraufkommens wie in Italien religionsneutral als Finanzierung auf bisheriger Höhe für anerkannte Religionsgemeinschaften lösbar."

Auch über andere Gründe wird bereits seit Jahrzehnten diskutiert. Das Verhältnis zwischen Priestern und Laien sei vielerorts schwierig, hieß es etwa in Österreichs Beitrag zur Welt-Synode. Und: Vor allem im Ausschluss der Frauen vom Weiheamt sieht man einen Grund für Enttäuschung und Frustration. Doch der Vatikan sagt weiter Nein zu Diakoninnen.

(sk)

Diskutieren Sie mit: Lässt sich die Austrittswelle in der Katholischen Kirche noch stoppen? Befindet sich die Kirche in der Krise? Oder vor allem der Glauben? Sind Sie Mitglied? Und: Falls Sie ausgetreten sind, könnten Sie sich vorstellen unter bestimmten Bedingungen wieder einzutreten?

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