Reportage

Chaos nach Nachtaktion: Zwölf Kindergärten zu

Ein paar Kinder waren noch da: Am Freitag musste der Ottakringer Kindergarten wie elf weitere Filialen schließen.
Ein paar Kinder waren noch da: Am Freitag musste der Ottakringer Kindergarten wie elf weitere Filialen schließen.Clemens Fabry
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Der Wiener Betreiber „Minibambini“ ist insolvent, muss über Nacht schließen. 800 Kinder sind betroffen, Eltern verzweifelt.

Wien. Noch sind Kinderfüße zu erkennen, die zwischen den kleinen Stühlen und Tischen hin und her wuseln. An einem der Milchglasfenster hängt ein Zettel: „Wir haben noch Plätze frei!“

Der Zettel scheint wie eine Verhöhnung der aufgebrachten Mütter, die vor dem Kindergarten in der Ottakringer Straße stehen. Vor wenigen Stunden haben sie eine Nachricht erhalten, ihre Kinder abzuholen. Die Betreuungsstätte muss, genauso wie elf andere Filialen des Wiener Kindergartenträgers Minibambini, den Betrieb mit sofortiger Wirkung einstellen. Betroffen sind rund 800 Kinder und etwa 120 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

„Gestern hat man mir noch versichert, dass der Kindergarten offen bleibt“, sagt eine Mutter zur „Presse“, die ein Kind in dem Kindergarten hat, ein zweites hätte im September anfangen sollen. Sie erzählt vom Chaos der vergangenen Woche, von sich täglich ändernden Botschaften an die Eltern, von der Unwissenheit der zuständigen Magistratsbehörde MA10. Warum sei trotz der bekannten Probleme bis jetzt nichts passiert? „Ich fühle mich betrogen“, sagt sie.

Scheinfirmen

Die Probleme: Der Stadt-RH hatte im Jänner aufgedeckt, dass Minibambini diverse Scheinfirmen beschäftigt hatte. Die Stadt Wien verhängte daraufhin am 27. Februar einen sofortigen Förderstopp für den Kindergarten-Trägerverein, nun ist dieser insolvent. Am Freitag wurde diesem die Bewilligung für den weiteren Betrieb entzogen.

Zu den Müttern gesellt sich Christoph Erler, einen Stapel an Akten unter dem Arm. Erler ist Masseverwalter und für das Konkursverfahren zuständig, das am Donnerstag über den Antrag eines Gläubigers eröffnet wurde. „Ich habe bis in die Morgenstunden versucht, eine andere Lösung zu finden“, versichert er. Die Verzweiflung der Eltern verstehe er gut, schließlich habe er selbst zwei Kinder. Es gebe bereits Interessenten, die an der Übernahme einzelner oder mehrerer Filialen interessiert seien, sagt Erler. An ein Wiederaufsperren sei jedoch frühestens in ein paar Monaten nach Abwicklung des Insolvenzverfahrens zu denken. Für die Mitarbeiter und die Kinder ist das zu spät. Für sie müssen die Eltern nun neue Plätze suchen – innerhalb der nächsten zwei Tage. Im Büro des zuständigen Stadtrats, Christoph Wiederkehr (Neos), wurde versichert, dass man den Eltern dabei helfen werde. Kurzfristige Maßnahmen seien eingeleitet worden. So sei eine eigens eingerichtete Helpline (01/905 00 20) am Freitag bis 20 Uhr erreichbar, am Wochenende zwischen neun und 16 Uhr.

Auch Termine für eine Anmeldung eines Kindes für einen privaten oder städtischen Platz werden am Samstag oder Sonntag vergeben. Dieses Angebot richte sich in erster Linie an Berufstätige und Familien mit Kindern im letzten, verpflichtenden Kindergartenjahr. Mitarbeitern wurde eine Jobgarantie geboten, wenn sie die fachlichen Voraussetzungen erfüllen. Sie können sich an die Stadt oder private Trägerorganisationen wenden.

Genug freie Plätze?

„Die Insolvenz und die damit verbundene Schließung der Kindergartenstandorte des privaten Trägers Minibambini war leider absehbar. Daher haben wir die Eltern in den vergangenen Wochen aktiv angesprochen, sich rechtzeitig um einen neuen Kindergartenplatz zu bemühen, und sie dabei auch aktiv unterstützt“, sagte Wiederkehr. So seien bereits viele neue Kindergartenplätze sichergestellt worden, es gebe noch genügend freie Plätze.

Andere Erfahrungen hat eine Mutter vor der Ottakringer Filiale gemacht, die zwei Kinder in dem Kindergarten hatte. „Ich habe schon gestern bei der MA10 angerufen. Da konnte man mir nicht helfen.“ Sie hat große Zweifel, ob bis Montag ein Ersatz gefunden werden kann – und ob ihre Kinder in denselben Kindergarten kommen, erzählt sie der „Presse“.

Auch wenn es Plätze für sie gebe – ihre Kinder würden aus ihrer gewohnten Umgebung gerissen, empört sich eine andere Mutter: „Ich weiß noch nicht, wie ich das meiner Tochter erklären soll.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.03.2023)

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